Pumperl, der Löwe
Hall ist für vieles bekannt. Den Münzerturm zum Beispiel und die Burg Hasegg. Die von Türmen gesäumte Altstadt mit ihren Plätzen und Gässchen. St. Nikolaus mit den Mölkschen Fresken und der Waldauf-Kapelle. Das Damenstift und die Jesuitenkirche. Das Salzlager und das Kurhaus. Und trotzdem kommt man in Hall an einem Namen nicht vorbei: den Pumperl. Tirol von A bis Z, heute: H wie Hall.
Wankelmütige Löwen
Gut, eigentlich könnte man auch sagen S wie Solbad. Denn von 1938 bis 1974 meinte man vor Innsbrucks Toren, man wäre ein Kurort. Naja, wer im Sommer beim Tomaselli am unteren Stadtplatz ein Eis geholt hat, fühlte sich wie neu geboren. Und wer oben am Gradierwerk in der Mittagshitze durch die Salznebel spaziert, spürte auch Erholung. Aber das eigentliche S von Hall hat mit dem runden Leder zu tun. Das hat in Hall auch schon eine lange Geschichte, eine sehr lange sogar. Die Gymnasiasten jagten auf der Milser Heide dem Fetzenlaberl nach, da war Wacker noch nicht einmal gegründet. Manchmal kickten sie sogar in der aufgelassenen Stiftskirche als Hallenersatz, Gott behüte, dass das an die Öffentlichkeit gedrungen wäre. Die erste Elf wurde nach dem großen Krieg gegründet und dem Turnverband angeschlossen, es wurde – Haller Geschichte – regelmäßig auf- und abgestiegen, bis man aus dem Turnerbund flog und den FCH gründete. Auch diesem Verein war kein langes Leben vergönnt. Er wurde zur Deutschen Turn- und Sportgemeinschaft, zur Gebirgs-Arttillerie und dann ruhend gestellt. Bis sieben Tage nach der Befreiung vom faschistischen Joch bereits eine Haller Auswahl wieder kickte, gegen ehemalige serbische Kriegsgefangene vor 1500 Zuschauern. Die Freude am Spiel ließ sich auch von den so typischen Leistungsschwankungen nicht verdrängen, und so verlor man in der Arlbergliga etwa am 10. Mai 1959 gegen den direkten Konkurrenten Wacker Innsbruck mit 0:3 und musste ihn im Mittelfeld der Tabelle vorbeiziehen lassen, gewann dann aber nur eine Woche später bei einer Stadioneröffnung östlich von Volders durch zwei Tore von Wagner mit 2:1 gegen die Grashoppers aus Zürich. Einen Tag vor diesem Spiel feierte einer seinen 17. Geburtstag, der zur Haller, und beim FC Wacker zur Tiroler Fußballlegende aufsteigen sollte: H wie Helmut, S wie Siber.
Stürmende Löwen
Im Jahr nach dem Sensationssieg gegen die Schweizer wurden die Haller nach unten durchgereicht, aus der Arlbergliga und der Landesliga rutschte man in die 1. Klasse ab. Hab ich schon von den gewohnheitsmäßigen Leistungsschwankungen in Hall gesprochen? Für Helmut Siber eigentlich ein schlechter Start ins Fußballeben, würde man meinen. Allerdings war Hall, war Siber einfach viel zu gut für die Liga, die Gegner wurden teilweise mit 16:0 und 17:0 auf den Heimweg geschickt, der Wiederaufstieg in die Landesliga mit einem Torverhältnis von 124:14 begangen. Auch die Landesliga stellte kein Hindernis dar, und so stand man nur zwei Jahre später wieder in Österreichs zweithöchster Liga. Am 1. September 1963 traf man dort vor 2500 Zuschauern auf die Austria aus Salzburg und bog die Veilchen mit 3:2. Eigentlich ein Tag zum Feiern, hätte nicht der Dirigent Walter Schöpf seine aktive Laufbahn beendet und Helmut Siber durch die Salzburger einen Beinbruch erlitten. Hall gewann bis in den Mai kein Spiel mehr, die Erlösung brachte das Derby gegen den Verein, dessen Stadion man ein paar Jahre zuvor eröffnet hatte. Hall stieg ab (und im Jahr darauf wieder auf), Siber wechselte zu Wacker und bildete zusammen mit Wolny und Redl den Supersturm, der zwei Vizemeistertitel für Innsbruck brachte und Helmut zusammen mit Starek, Köglberger und Hof zu den besten österreichischen Stürmern werden ließ. Der Haller kam ins Nationalteam, und kreative Spielerberater lotsten ihn in die deutsche Bundesliga. Dort allerdings zu den Kickers Offenbach, die bereits am Weg nach unten waren. Statt eines Durchbruches erwartete Siber ein ständiger Abwehrkampf, seine offensiven Qualitäten konnte er nicht ausspielen. Die internationale Karriere war durch die falsche Teamwahl vorüber, kein Wunder, dass er nach einem Jahr wieder in Österreich spielte, bei der damaligen Millionentruppe der Swarovskis. Sibers Zeit im Spitzenfußball war am Ablaufen, doch er kehrte nach einem Ausflug nach Donawitz noch einmal nach Innsbruck zurück und durfte dort zum Abschluss noch einen Meistertitel und einen Cupsieg feiern.
Löwen-Herz
Via Dornbirn ging es dann heim nach Hall. 10 Jahre kickte er dort bei seinen Löwen als Spielertrainer, tingelte mit den Altherren des FCW durch die Welt und coachte auch den Nachwuchs der Schwarz-Grünen. Aber Hall blieb sein Herzensverein. Der Feinmechaniker am Feld wurde zum Platzwart, die Haller Lend ohne Helmut Siber undenkbar. Auf der Lend sah er die Löwen in alter Tradition auf- und absteigen. Im Herbst 2019 kämpfte man noch um den Einzug in das Westliga-Frühjahrsfinale der Regionalliga und damit den sportlichen Aufstieg in die zweite Liga, jetzt tingelt der SV mit anderen Legenden durch die fünftklassige Tirolerliga. Wie es mit seinen Löwen weitergeht, wird Helmut „Pumperl“ Siber nicht mehr von der Seitenlinie, sondern von oben aus beobachten, zusammen mit so einigen weiteren Kollegen aus Innsbrucker Tagen: am 5. August hörte das Löwen-Herz zu schlagen auf. In den Herzen wird er aber weiterleben, den schwarz-grünen und den rot-schwarzen.
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