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Familienaufstellung

Einhundertzweiundsechzig. So viele Expertinnen und Experten findet man in Tirol, wenn man nach systemischer Familientherapie sucht. Ganz schön viel, vor allem wenn man weiß, wie ungerne man Konfliktfelder im engsten Verwandtenkreis nach außen trägt. Gut, den FC Wacker betreffend, müsste man den Partner für die Familienaufstellung zwar etwas östlich der Stadtgrenzen suchen, aber auch rund ums Goldene Dachl gibt es einiges zu besprechen. Etwa im Zusammenhang mit dem nächsten Gegner. Tirol von A bis Z, heute I wie Innsbruck.

Familienbande

Innsbruck. Stadt an der Brücke über den Inn, an der Mündung der Sill, um 1200 schon mit dem Stadtrecht versehen, wuchs durch Zuzug und Eingemeindungen, hat 131.000 Einwohner ohne die rund 30.000 Studierenden und täglich 3000 Übernachtungen von Touristen, Hauptstadt von Tirol und deshalb auch mit ladinischem (Dispruch) und altem italienischen (Isprucco) Namen versehen. Aber, ganz ehrlich, das muss reichen als Vorstellung der Heimatstadt des nächsten Gegners – teilt man sich als Schwarz-Grüner doch die Bim und Würstelstandln, die Cafes und Lebensmittelgeschäfte, die Hauseingänge und Arbeitsplätze mit der Union. Nicht jedoch den Fußballplatz, das legendäre Fenner-Areal. Und da kommt die Innsbrucker Stadtgeschichte wieder zum Tragen. Direkt neben dem Hofgarten stiftete Anfang des 17. Jahrhunderts die zweite Frau Ferdinands von Tirol – nicht die gute Köchin, die öffentlich versteckt oben auf Schloss Ambras war, die Welser Philippine, sondern die gute Partie aus dem Süden, Anna Catharina de Gonzaga von Mantua und Montferrat – den Servitinnen ein Kloster. Dem Habsburger Reformator Josef II. ein Dorn im Auge, wurde der kontemplative Orden rund 150 Jahre später aus dem Haus gejagt, das nicht ganz so kontemplative Heer zog ein. Kloster-Kaserne hieß das Ganze, bis man es nach einem Traditionserlass nach dem Feldmarschallleutnant und quasi Gründer der Kaiserjäger, Franz Philipp Fenner von Fenneberg, dem gebürtigen Salurner, in Fenner-Kaserne umbenannte. Wann glauben sie, dass das passiert ist? Nach den Tiroler Aufständen 1809, in denen sich der kleine Franzl für seinen Kaiser Franzl hervorgetan hat? In den Zeiten der Monarchiereformen, oder rund um den ersten Weltkrieg? Bei den traditionalistischen Machthabern der Zwischenkriegszeit? Weit gefehlt. 1967, in der demokratischen, bürgerlichen zweiten Republik. Familie bleibt Familie, auch wenn man als Staatsform vom „guten, alten“ Kaiserreich schon etwas entfernt ist.

Familienzwist

Wobei, ganz glücklich ist man ja nicht immer mit der Familie. Manch ein Zweig, manch ein Spross entwickelt sich da in eine Richtung, die nicht so vorgesehen war. Das hätte auch Franz Fenner gemerkt, wäre er nicht schon früh in Galizien verstorben. Sein Sohn Daniel, damals erst sechs Jahre alt, folgte zunächst den Spuren seines Vaters, schied dann aber aus der Armee aus und verfasste eine Brandschrift gegen die Heeresführung. Er wurde zum Adjutanten des Kommandanten der aufständischen Nationalgarde in Wien, zum Oberbefehlshaber und Chef des Generalstabes des pfälzischen Volksheeres im Aufstand 1849, verlor durch seine Revolutionen das Adelsprivileg, flüchtete über die Schweiz nach Amerika und wurde in New York Herausgeber einer deutschsprachigen Zeitung. Nicht unbedingt das, was sich sein Papa vorgestellt hat, aber eine spannende Biographie allemal. Als Namensgeber für einen Fußballplatz täte sich Sohn Fenner wohl auch eignen, wollte er doch nie so sein, wie sie ihn haben wollten… Aber die Union spielt halt auf dem Platz seines Papas, manchmal besser, manchmal nicht ganz so gut. Gegen Wacker konnte man vergangene Saison aber durchaus reüssieren. Ein Remis auf eigenem Boden wurde durch das Tor des Spielertrainers Stefan Milenkovic ermöglicht, in der vorletzten Runde wurde man nochmals zum Partycrasher und stahl Punkte aus dem Tivoli. Die Tore für die Union: Stefan Milenkovic, Stefan Milenkovic und, nein, diesmal wer anderer, Josip Steko.

Familientreffen

Kein Wunder, dass Stefan Milenkovic auch in dieser Saison die mannschaftsinterne Torschützenliste mit vier Treffern anführt. Mehr als zu einem Sieg (gegen die noch punktelosen Breitenbacher) und zwei Remis reichte es derzeit noch nicht, gefährlich nah dran war man aber des Öfteren. Und das mit einer Truppe, die durchaus eine schwarz-grüne Vergangenheit hat. Zwölf Spieler trugen einst das schwarz-grüne Trikot, manche sogar das von Namensvorgängern aus den späten 90ern. Insgesamt kann der Kader der Union auf 46 wackere Jahre zurückblicken, und diese ehemaligen Kicker vom Tivoli kamen in dieser Saison bereits auf 50 Einsätze und 7 Tore: neben Milenkovic (ein Jahr Wacker) trafen auch Dominik Pandurevic (ein Jahr), Milan Stojanovic (fünf Jahre) und Marko Stokic (drei Jahre). Nahuel Schadler, heuer bereits sechsmal im Einsatz, ist im System des ÖFB gar noch mit schwarz-grün gestreiftem Trikot zu finden, die meisten Saisonen kann aber Nikola Markovic vorweisen, der mit sechs Jahren zum FCW kam und dort 12 Jahre verblieb. Spiele in der Regionalliga Tirol und der Tiroler Liga, Meistertitel in der 2. und 1. Klasse, Hallen- und reguläre Meister im Nachwuchs, all das erlebten die zwölf derzeitigen Union-Kicker in den schönsten Farben des Fußballs – und treffen am Freitag auf ihren ehemaligen Verein. Diesmal hoffentlich in guter K&k Militärtradition: ein bisserl zu spät, ein bisserl zu schwach, ein bisserl verloren.

Foto: http://heini.de/fennberg.html

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Autor: Stefan Weis

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