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Fußball ist Emotion und Leidenschaft

Heute blicken wir sehr weit zurück. Zu den Anfängen des Fußballsportes im deutschsprachigen Raum. Die Emotionen des Publikums haben diese Sportart erst zum Erfolg gemacht. Und wir machen einen Blick ins Innsbrucker Tivoli. Das Stadion, in dem unglaubliche Emotionen entstanden sind. 

Von der Fußlümmelei zur Weltsportart

Kaiser Franz Josef der I. und die legendäre Kaiserin Sisi regierten das Großreich Österreich-Ungarn, im Deutschen Reich ist gerade Kaiser Wilhelm der I. an die Macht gekommen. Oh nein, es soll hier nicht um die Monarchie gehen. Hier regiert König Fußball. Etwa zu jener Zeit sollte der junge Lehrer Konrad Koch im Braunschweiger Gymnasium seinen Sprösslingen die englische Sprache lehren (zu dieser Zeit ein Experiment). Ein undankbarer Job. Von den Schülern verhasst und für das Lehrerkollegium war die Großmacht England und dessen Sprache ein rotes Tuch. Da griff der charismatische Lehrer zu einer geschickten Finte. Herrn Koch gelang es, den Burschen spielerisch das ungeliebte Lehrfach schmackhaft zu machen. Mittels der absolut neuen und in Deutschland unbekannten Sportart Fußball. Das alles gibt es im Film „Der ganz große Traum“ zu sehen. Jedoch ist es ein Mythos, dass dieser Lehrer jemals in England unterrichtet und von dort das runde Leder nach Deutschland gebracht hat. Aber es ist Fakt, dass es dem spießbürgerlichen Lehrerkollegium und dem Schulrat ein richtiger Graus war, ihre Schutzbefohlenen diese neue Sportart ausüben zu lassen. Der Geschichtsunterricht mit Lobeshymnen auf Hass und Krieg gegen England und Frankreich schien sehr viel wichtiger gewesen zu sein. Nur durch eine List ist es dem Englischlehrer gelungen, die Sportart erst einmal vorführen zu können. Der Schulrat und das Kollegium rümpften sofort die Nase.

Doch nicht nur dort. Turnen war damals in einer militarisierten Gesellschaft die klare Nummer 1. Die neue Sportart Fußball wurde als „Fußlümmelei“ verunglimpft und als unpatriotisch gebrandmarkt. Doch es kam, wie es beim Fußball heute noch oft vorkommt. In den ersten Minuten des Spiels passiert wenig. Dann folgt ein Tor für eine Mannschaft und gleich noch eines obendrauf. Mit dem Anschlusstreffer kommt Spannung auf. Noch mehr, nachdem der Ausgleich erzielt wird. Würde es noch einen Sieger geben? Die vielen Schaulustigen auf dem improvisierten Fußballplatz klatschen, schreien und halten sich nicht selten die Hände vors Gesicht. Je nachdem, mit welchem Team man es hält. Und dann die Ekstase, die Explosion der Gefühle beim Sieger und dessen Anhang… Die Emotionen bei Spielern und Zuschauern ebneten den Siegeszug des Fußballs. Das war die Geburt der beliebtesten Sportart bei unseren Nachbarn. Das hat sich anno 1874 abgespielt. 1888 wurde der erste Fußballverein Deutschlands, BFC Germania, in Berlin gegründet. 1900 wurde der DFB gegründet. Es dauerte jedoch bis 1927, bis der Fußball in Bayern in den Schulen zugelassen wurde. Heute stürmen die Massen die Stadien und die TV-Sender reißen sich um die Übertragungsrechte.

Doch nicht nur in Deutschland schrieb der Fußball eine Erfolgsgeschichte. Ende des 19. Jahrhunderts arbeiteten viele Engländer im Ausland und verbreiteten so den Sport auf der ganzen Welt. Wie etwa der Gärtner James Black oder sein Landsmann William Beale, die in Wien Interessierten den Fußall näher brachten und schließlich zu den Mitbegründern des ältesten Fußballvereins Österreichs wurden – dem 1894 gegründeten First Vienna FC. Der ÖFB wurde 1904 gegründet.

In die Schweiz kam der Fußball über die Sprösslinge reicher Industrieller aus Großbritannien, die in den Internaten der Erziehungsinstitue von Château de Lancy und La Châtelaine das Spiel etablierten. Ihre Schweizer Mitschüler übernahmen das Spiel mit Begeisterung und 1879 wurde schließlich der erste Schweizer Fußballklub gegründet: FC St. Gallen. Die Gründer lernten die Sportart während ihrer schulischen und beruflichen Ausbildung von englischen Lehrern kennen. Bereits 1895 wurde der Schweizer Fußballverband gegründet.

Die Groteske des Fußballs

150 Jahre später hat sich nahezu alles verändert. Fußball ist längst nicht mehr „nur“ Sport. Daraus wurde ein Milliardengeschäft. Die TV-Stationen wetteifern mit Unsummen um die Übertragungsrechte des „Königs“ Fußballs. Milliardäre kaufen sich Klubs ein. „Investoren“ riechen die Millionen. Dieser Wahnsinn ist allein durch Sponsoren ohnehin kaum noch zu finanzieren.

„Fußball ist ein Spiel, kein Produkt, ist Sport, kein Markt, zunächst ein Spektakel – und kein Geschäft.“ – Michel Platini, französische Fußballlegende, sagte einst diesen Satz zum Thema „Business, Macht und Korruption“. Am 26. 01. 2007 wurde er zum Präsidenten der UEFA gewählt. Das waren ja schöne Worte, aber richtiggehend leere Phrasen. Acht Jahre nach seinem Amtsantritt wurde Platini zusammen mit FIFA-Präsidenten Joseph S. Blatter von der Ethikkommission des Weltverbandes für acht Jahre gesperrt. Wegen Korruption! Da waren dann wohl die Schafe im Wolfspelz am Ruder der Fußballverbände. Aber das dürfte nur die Spitze des Eisbergs gewesen sein. Der „Fußball“ wurde und wird mehrfach missbraucht. Und dies sowohl politisch als auch kommerziell. Blickt man auf den grünen Rasen (um den es eigentlich gehen sollte) kommt auch so manche Zornesfalte zum Vorschein. Es werden Unsummen auf dem Transfermarkt ausgegeben. Es scheint, als ob bei einigen Spielern die Frisuren, Tattoos und die Farben der Stollen an ihren Fußballschuhen eine existenzielle Bedeutung haben. Da lob ich mir den „schlamperten“ Kurt Jara aus den längst vergangenen Siebzigern.

Trotz aller regeltechnischer Veränderungen und taktischen Raffinessen des immer athletischer und technischer gewordenen Profifußballs ist die Begeisterung für diesen Sport ungebrochen geblieben. In England und Deutschland muss man mancherorts schon Abos für die Fankurven erben, damit man eine Chance auf den Stadionbesuch hat. Am freien Markt wird es schwierig eine Dauerkarte für die Kurve zu ergattern. Nicht selten sind die Spiele bereits Monate im Vorhinein ausverkauft. Fans opfern für ihren Lieblingssport mitunter ihr sprichwörtlich letztes Hemd. Seit über 150 Jahren ist diese Leidenschaft für diesen Sport unverändert. Die Begeisterung um die Vereine ist sogar gewachsen.

Denkt man an Fußball „Made in Austria“, ist das Innsbrucker Tivoli nicht wegzudenken. Und das seit dem Aufstieg des FC Wacker Innsbruck im Sommer 1964 in die damalige Nationalliga. Das Tivoli-Stadion avancierte zu einem Mekka des österreichischen Fußballs. Gerne erinnere ich mich an die goldene Ära in den Siebzigern zurück. Das war Begeisterung pur. Mitunter aber auch sehr kritisch. Die Gegner hatten auch mit dem Publikum im Tiroler Fußballtempel zu kämpfen. Da wurden so manche „Typen“ des österreichischen Fußballs gnadenlos ausgepfiffen. Einer von ihnen, August Starek, streckte der Tribüne entnervt sein entblößtest Hinterteil entgegen. Der „schwarze Gustl“ wurde dafür für 10 Spiele gesperrt und Wacker hat dieses Spiel mit 5:0 gewonnen. Absolut legendär.

Ich erinnere mich auch gerne an die tausenden Wunderkerzen. „So ein Tag, so wunderschön wie heute“, aus bis 22.000 Kehlen (Zusatztribüne Ostseite). Damals hätten wir singen können, „Europapokal, in diesem Jahr …“ Den sensationellen Meistertitel 2000 und den Durchmarsch von der Regionalliga bis in die Bundesliga – nur vier Jahre später. Immer wieder ein Auf und Ab und das in jeder unserer Epochen. Die Trainer haben sich am Tivoli mitunter die Türklinke in die Hand gedrückt. Es gab schon einige Vereinsfunktionäre, die hinter schwedischen Gardinen gelandet sind. Andere haben sich stillschweigend aus dem Staub gemacht. Zum FC Wacker Innsbruck hatte man ständig eine“On-off-Beziehung.“ Aber was immer auch vorgefallen ist, wie immer auch der Verein gerade gekleidet war, das blieb Publikum. Da wurde die Mannschaft mitunter sogar nach Niederlagen gefeiert. Sogar jetzt, in der 5. Liga zaubern die Fans des FC Wacker Innsbruck mehr als nur einen Hauch von Bundesligaflair ins Tiroler Fußballunterhaus.

Der Fußball hat seine Feinde in der überstrapazierten Kommerzialisierung dieses Sports selbst. Diese vergessen dabei, dass der Sport von jenen lebt, die ihr letztes Hemd dafür geben…

Image by Phillip Kofler from Pixabay

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Autor: Rudolf Tilg

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