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Tschuldigung, ein Missverständnis…

Sind wir mal ehrlich, es gibt so Tage, da denkt man sich: Eigentlich kann das alles ja nur ein Missverständnis sein. Fließ. Als Gegner. Ein Ort, der bislang auf der Landkarte des FC Wacker Innsbruck nicht wirklich aufgetaucht ist. Mehr noch, den so mancher Wackerianer vielleicht gar erst auf der Landkarte suchen muss. Und dann wird man sich ganz schnell bewusst – das ist unfassbar überheblich. Und soetwas von nicht angebracht. Denn im Grunde genommen wäre nicht endenwollende Bewunderung angesagt, spätestens beim Blick auf das Schmuckstück, das sich der erste Pflichtspielgegner der neuen Saison da hingestellt hat.

Niemand kann das bezahlen

Zum Österreicher wird man erst in Jesolo, meint Gerald Heidegger in seinem neuen Buch. Und blickt dabei tief in die Seele des Landes, das sich selbst erst zwischen Spiaggia und Pizza con Wurstel e Speck (wieder)entdeckt. Oder erstmals als Österreich erlebt. Zum Weg zur Selbstfindung gehört, zumindest bei mir, auch dazu, dass man ab Tarvis oder dem Cadore plötzlich die italienischen Hadern der Jugend lautstark mitsingt, soweit der verbliebene Rest des italienischen Wortschatzes es eben erlaubt. Ob Jovanotti oder Elisa, ob Raf oder, naja, auch Nek, wenn er über die verschwundene Laura singt. Und wenn die Kids dann, wie man selbst früher, mitten in das schönste, vor Trennungsschmerz triefende Italienisch reinrufen „Niemand kann das bezahlen!“. Wait, what? Ah, mi manca da spezzare (il fiato)… Atemlos ist er eigentlich, wie die Helene, aber er halt aus Kummer. Nach Luft ringt man auch, wenn man die Fließer Arena das erste Mal sieht. Ein Prachtbau, der da für die Vereine der kleinen Oberländer Gemeinde entstanden ist. Mehr noch, der durch die Vereinsmitglieder geschaffen wurde. Denn bezahlen könnte das niemand, wenn es nicht durch freiwillige Stunden der Kicker und vieler, vieler weiterer Fließer passiert wäre. Ein Projekt, das das Dorf über Jahrzehnte beschäftigte, geplant und umgeplant. Ein Werk, das auch finanziert werden musste – gratis ist gar nichts. 3 Jahre Bauzeit, in Summe rund 5,1 Millionen an Investitionskosten, 20.000 Arbeitsstunden der Gemeindearbeiter und inklusive aller Grundankäufe eine Vorlaufzeit von über 20 Jahren. Aber das beeindruckendste daran: 16.700 ehrenamtliche Arbeitsstunden sämtlicher Fließer Vereinsmitglieder, alle nach der eigentlichen Arbeit geleistet, mehrmals pro Woche im Dienste der Allgemeinheit, unbezahlt. Das schmiedet zusammen, das lässt die Wertschätzung für das Geschaffene nochmals steigern. Kein Wunder, dass es auch sportlich plötzlich ganz anders lief…

Here we are now, in containers

In Fließ ist niemand mehr in Container untergebracht, wie es Kurt Cobain vor über 30 Jahren nicht sang. Nach jugendlichem Spirit riechts aber doch in Fließ, und entertained wird man dort derzeit recht gut im neuen Sportzentrum am Kalvari. Der FC Fließ, vor sechs Jahrzehnten gegründet, rockt derzeit die unteren Ligen, dass es nur so eine Freude ist. Im Sommer 2022 ging es für die Rot-Weißen hoch von der 2. Klasse West in die 1. Klasse, im Jahr darauf tütete man das Double ein, rasierte den Tabellenzweiten Oetz/Sautens mit 6:2 und sicherte sich frühzeitig den Meistertitel und damit den Aufstieg in die Bezirksliga West. Und weil aller guten Dinge drei sind, zerlegte man im Juni diesen Jahres das Schlusslicht St. Leonhard in alle Einzelteile und sicherte sich mit Platz zwei den Durchmarsch in die Gebietsliga West. Maßgeblich daran beteiligt ist ein im Unterhaus nicht ganz unbekannter Name: Graber. Aber das nicht nur in einfacher, sondern gleich in vierfacher Ausführung. Papa Jürgen Graber, Trainer der Oberländer, ist nicht nur für zwei Jäger, zwei Siehs, zwei Thurner und zwei Zangerle, sondern für gleich drei weitere Graber verantwortlich. Leon, Manuel und Noah, seine eigenen drei Buben. Der ehemalige Stürmer von Landeck, der mit seinen Treffern Abwehrreihen zur Verzweiflung brachte, bringt von daheim einen Tormann, einen Flügelspieler und einen Sechser mit in das Mannschaftsgefüge. 67 Spiele brachten die drei  Buben im letzten Jahr in der Statistik zur Geltung, und immerhin auch 10 Tore. Unerreicht bleibt aber die Marke von Luca Siehs, der in der vergangenen Saison gleich 22mal einnetzte und damit die Mannschaft zum Aufstieg trug.

Three lines on a shirt…

Die EM ist vorbei, die drei Linien haben sich den Titel geholt, nicht die three lions, die abermals ohne großen Titel bleiben und nur Erfahrung mit nach Hause nehmen. Die drei Linien auf spanischer Brust haben den Pokal in die Höhe gestemmt. Der Alltag heißt jetzt Tirol-Cup, Fließ gegen Wacker Innsbruck. Football´s coming home, nach Tirol. Ob der Pokal auch wieder einmal heim ins Tivoli kommt, das wird man sehen. Da darf keine Mannschaft unterschätzt, kein Gegner auf die leichte Schulter genommen werden. Vielleicht helfen dabei drei Stricherln – bei Spanien war’s ja auch kein Fehler…

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Autor: Stefan Weis

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