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Von hier an blind

Am Wochenende spielt Wacker – Wattens. Erinnert ein bisserl an das schon etwas zu oft wiedergegebene Bonmot aus der heimischen Ballesterer-Geschichte: „Heut spielt Österreich – Ungarn.“ – „Gegen wen…?“ Aber schon die Grundüberlegung für dieses Scherzerl hat einen Haken.

Der Haken

Zu Kaisers Zeiten, als sich das Spiel mit dem runden Leder nicht zuletzt über die britischen Gärtner, Reisebüroangestellten und vielen weitere Expatriats von der Insel in der Monarchie verbreitete, gab es eine ungarische Eigenständigkeit. Der Ausgleich, ganz unfußballerisch gedacht, trennte die Länder in trans- und cisleithanische Gebiete, oder besser gesagt: hiagan Bachl, entan Bachl. Das Bachl, die Leitha, galt schon im Mittelalter als eine Art Militärgrenze gegen die Magyaren, zu Zeiten des Fetzenlaberls diente sie als Unterscheidungsmöglichkeit zwischen ungarischer Reichshälfte der Doppelmonarchie und der anderen, die nie Österreich allein war und auch nicht die österreichischen Erblande der Habsburger (die Böhmen hätten da was dagegen gehabt, waren sie ja kein Erbland), sondern lediglich als „die im Reichsrat vertretenen Königreiche und Länder“ bezeichnet wurde. Und nachdem das niemand aussprechen konnte, wurde es Cisleithanien. Merkt man eigentlich, dass ich mich gerade etwas winde, um nicht über den Gegner am Wochenende schreiben zu müssen…?

Bei Kaiser selig

Nein, eh noch nicht so sehr? Super, dann muss ich den Gedanken noch zu Ende bringen. Also, der Grundgedanke, Österreich-Ungarn hätte eine Mannschaft gestellt, ist im Fußball schon deshalb nicht korrekt, da die Eigenstaatlichkeit Ungarns untergraben worden wäre und die Herren in Budapest das nicht geschätzt hätten. Mehr noch, das Fußballspiel in organisierter Form war damals ja ein großstädtisches Phänomen, drum hat auch nicht einmal so wirklich das vermeintliche Österreich gegen Ungarn gespielt, sondern eher noch Wien gegen Budapest. Und trotzdem, das erste so genannte Länderspiel auf dem europäischen Kontinent ohne Beteiligung eines britischen Teams fand 1902 genau zwischen diesen beiden „Ländern“ statt, Wien siegte im Städtekampf 5:0 durch Tore von Taurer, Huber und einem Triplepack von Studnicka. Die Mannschaftslisten lesen sich wie eine verkitschte Komödie über die Monarchie aus dem 50ern: Huber und Steiner, Wiesner und Bayer, Wachuda und Gabrovitz, Studnicka und Pokorny, Blassy und Olah, Eipeldauer und Guttmann – einer von diesen Namenspaaren spielte für Wien, einer für Budapest. Da würd‘ ja der Name Swarovski auch nicht auffallen, in dieser Zusammenstellung, wobei der ja eben nicht aus Österreich oder Ungarn sondern aus Nordböhmen stammt, aus Georgenthal bei Gablonz, Jiřetín pod Bukovou bei Jablonec nad Nisou. Ein Jahr, nachdem die Vienna als erster Club Österreichs gegründet worden ist, ließ sich Daniel Swarovski im Inntal nieder und übernahm die Rhombergsche Tuch- und Lodenfabrik, um gemeinsam mit seinen Geldgebern, den Kunden Armand Kosmann und seinem Schwager Franz Weis das Unternehmen „A. Kosmann, Daniel Swarovski & Co“ zu gründen. Ach, Hardigatten, jetzt werd‘ ich doch nicht drumrumkommen, über das Spiel zu reden…

Viele Namen, viele Treffen

Dreieinhalb Jahrzehnte gingen ins Land, als man sich an Wattener Stammtischen 1930 entschloss, dem in der Freizeit gelebten Hobby Fußball auch eine Vereinsstruktur zu geben. Es war kein Werkssport, sondern ein Arbeitersport von Angestellten der Glasschleiferei, der Papierfabrik, der Ziegelei, ein buntes Sammelsurium. Als es 1931 zur Eintragung beim Tiroler Fußballverband kam, gab man sich den Namen Sportverein Fußballklub Wattens, kurz SpVFCW. In dieser Zeit kam es auch zu einem ersten Aufeinandertreffen in einem Freundschaftsspiel, das der höherklassige FC Wacker zur großen Freude der Wattener und zum erstaunen der Medien verlor. Ein erstes Aufeinandertreffen in der Liga erfolgte erst in der Deutschen Kreisliga Tirol 1938/39, kurz bevor die Unterländer den Namen Deutsche Turn- und Sportgemeinschaft Wattens erhielten. Ein Wiedersehen zu Friedenszeiten gab es 1949/50, zwei Siege für Innsbruck waren wieder einmal die Folge. Im Jahr darauf gab es allerdings im Landespokal eine bittere Niederlage, 3:7 musste man sich dem Verein geschlagen geben, der bald als SV Wattens auftreten würde. Beinahe Hand in Hand ging es in die Arlbergliga, die Regionalliga West und aus dieser dann ein paar Jahre nach Wacker Innsbruck in die höchste Spielklasse, da schon als Werksportgemeinschaft Swarovski Wattens. Der weitere Weg ist bekannt – Kräfte bündeln mit dem Meister aus Innsbruck, Neustart von Wattens im Tiroler Unterhaus, lange Jahre von erfolgreicher Kooperation und Heranführen von Talenten an das Bundesliganiveau durch einen stufenmäßigen Unterbau der Vereine. Wattens, das war für Tiroler weitab vom Tivoli die Vorstufe zu Wacker in all seinen Ausformungen. Kein Konkurrent, ein Partner…

Von hier an blind

Jetzt hab‘ ich mich lange genug durch die Geschichte gewunden, um nicht auf die Gegenwart eingehen zu müssen. Nicht auf die Konflikte der letzten Jahre, nicht auf die Untergriffe über mediale Freunde, nicht auf klagende Worte, an die man sich nun in umgekehrt verteilten Rollen nicht mehr erinnern mag. Und schon gar nicht auf die Frage, wie man im einstigen Alpenstadion damit umzugehen gedenkt, dass man als Kampfmannschaft nach dem Testspiel gegen Ingolstadt am Mittwoch erst wieder am 15.9. gegen Hartberg spielen muss und vereinzelte Kicker ja auf andere Art in Spiellaune gehalten werden könnten. Was ich aber weiß – egal, wie es in den letzten Jahren abgelaufen ist, auch und vor allem mit Mitgliedern seiner Familie: Gernot Langes, Namensgeber des Stadions, hatte ein wackeres Herz, er wird unvergessen bleiben in der Geschichte. Gernot Langes, einer von uns…

Bild von Victoria auf Pixabay

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Autor: Stefan Weis

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