Die Janusgesichtigen
Zwei völlig unterschiedliche Auftritte hinlegen, das liegt in der Wörgler DNA. Fünftmeiste Einwohner Tirols, aber von der Fläche nur auf Rang 171. Klitzeklein, aber acht Nachbarn. Erst vor knapp über 100 Jahren zu einer Gemeinde vereinigt, davor getrennt durch den klitzekleinen Wörgler Bach in Wörgl-Rattenberg und Wörgl-Kufstein. Das Bächlein, wenn es durch Gewitter gesättigt wurde, trat regelmäßig über die Ufer und überschwemmte alles rundherum, Wildbachverbauung hin oder her. Trotzdem wurde schon früh, 1908, direkt am Austritt des Baches aus der Klamm das erste Schwimmbad für die damals beiden Wörgler Gemeinden errichtet – die niemand annahm, weil das Wasser zu kalt und die Lage zu schattig war, womit man keine zwei Jahrzehnte später ein neues baute. Und vom Schwimmbad zu reden, zerreißt die Wörgler Seele derzeit wieder in zwei Teile. Nicht viel anders geht es auch den Ballesterern der Unterländer Gemeinde…
Top oder Flop
Denn das Wellenbad der Gefühle, das kennt man beim SV Wörgl. Einst stolzer Vertreter des Tiroler Fußballs in der zweithöchsten Spielklasse, durfte man dort nicht nur mit dem dritten Platz im Jahr 2000 den größten Erfolg feiern, sondern war zwei Jahre später auch der letzte verbliebene Proficlub des Landes und damit der beste, höchstklassierte Verein. Um dann kurz darauf die Lizenz zu verlieren und in die vierte Landesliga hinunterzustürzen und wenig später sogar in der Gebietsliga Ost tätig zu sein. Wie sehr man den Schmerz in Innsbruck mitfühlen kann… Wörgl hat sich aber wieder aufgerafft, nach oben gekämpft, war 2014 Meister der Gebietsliga, 2015 der Landesliga, 2016 der Tiroler Liga, und plötzlich wieder in der Regionalliga am Weg. Ob es nun die Wirren der Covid-Zeit und die Wirren des Tiroler Fußballverbandes und seiner Ligen-Neuerfindungen waren, die Unterländer rutschten vom Drang nach oben in den Abstiegskampf der Regionalligenmutationen, der sich im vergangenen Jahr so richtig brutal zeigte. Im Grunddurchgang nur zwei Siege in 22 Partien, 61 Gegentreffer. Das untere Playoff wurde nicht gnädiger, sieben Niederlagen und ein Remis in 10 Spielen, eine Saison zum Vergessen. Die Aufstockung der Regionalliga Tirol auf vierzehn Mannschaften für die aktuelle Saison sicherte den Wörglern ein erneutes Ticket für die Liga. Das Ziel war: kein Abstiegskampf in diesem Jahr. Dazu sollten auch Kaderveränderungen beitragen. Sieben neue Spieler wurden geholt, teils aus Kirchbichl, Bruckhäusl, Söll, Zirl und Inzing. Teils aus internationalen Ligen, nämlich Ivan Salinovic aus der dritten kroatischen, Attila Havas aus der dritten ungarischen Spielklasse.
Das andere Gesicht
Und wie der römische Gott Janus, der mit den zwei Gesichtern, zeigten sie plötzlich ein anderes Auftreten. Im Cup wurden Going und Westendorf ohne Rücksicht mit 0:8 und 1:4 abserviert. Sieben unterschiedliche Torschützen, beide Neuzugänge aus den auswärtigen Ligen trafen, dazu zwei weitere Zugänge und drei Kicker, die bereits im vergangenen Jahr bei Wörgl die Schuhe gebunden haben. Die Auftaktpartie der Liga brachte kurz einen Rückfall in alte Muster und ließ die Wörgler an der Rückkehr des Erfolges zweifeln, denn gegen Fügen musste man sich nach einem Tormannfehler in der 90. Minute mit 0:1 geschlagen geben. Doch dann kam der Unterländer Moter wieder auf Touren, Ebbs, Völs, Kematen, Volders wurden geschlagen, mit Mils remisiert. Ein Spiel ist man nach Absage im Rückstand, nach Verlustpunkten liegt man nur einen einzigen Zähler hinter Tabellenführer Wacker Innsbruck. Die Furcht vor dem Abstieg ist derzeit weit weg, nicht zuletzt dank Neuzugang Ömer Köken, der nach Veldidena, SVI, IAC, Stubai und Zirl jetzt in Wörgl offensiv zulangt und derzeit bei fünf Toren steht.
Die Amis kommen
Mit dem Spiel am Freitag gegen Wörgl ist das wackere Wochenende aber noch nicht zu Ende, sondern maximal eingeläutet. Denn am Samstag wartet mit dem Tag des Mädchenfußballs in Zusammenarbeit mit dem ÖFB, dem SVI, SK Wilten, SPG Mittelgebirge Ost und SK Rum nicht nur ein Schnuppertag für alle Mädchen am Tivoli, sondern vor allem um 14 Uhr der Auftritt der Wacker-Damen in der 2. Frauenbundesliga gegen den FC Pinzgau Saalfelden. Die wackeren Ballesterinnen haben bislang auch beide Gesichter gezeigt: den Bundesligisten LASK im Testspiel geschlagen, den Bundesligisten Dornbirn aus dem Cup geworfen, die Auftaktpartien in der Liga souverän gewonnen. Gegen Landhaus allerdings eine knappe Niederlage, gegen Hartberg mit 7:1 eine kalte Dusche eingefangen. Die Salzburgerinnen kommen mit dem Selbstbewusstsein von drei Siegen nach Innsbruck – und mit dem American Dream. Das „Project Ascend“ der Plattform „Fan Owned Club“ spült US-College-Fußballerinnen in den Pinzgau, die mit dem Aufstieg in die zweite Liga schon eine erste Marke hinterlassen haben. Diese soll nicht die letzte bleiben, doch dazu dürfte man die Siegerstraße nicht mehr verlassen. Nächste Hürde: die Mädels des FC Wacker Innsbruck – und vielleicht ein größeres Publikum, als sie es im Frauenfußball gewohnt sind…
Bild: Fubar Obfusco, Public domain, via Wikimedia Commons