Keine Sorgen, Papa!
Ich sitz grübelnd über den Berichten und Daten zu Wacker und Wattens. Und offensichtlich nicht ganz ohne Sorgenfalten. Denn von der anderen Seite des Küchentisches hör ich plötzlich: „Mach dir keine Sorgen, Papa, das gewinnen die schon.“ Ich schau auf und seh meinen Großen an den Malstiften. Und denk mir: gut, dass du nicht in die Zahlen geschaut hast.
Er liebt Zahlen. Schon immer. Aber mit denen lass ich ihn in Ruhe. Die Serie, die die Wattener Juniors derzeit aufs Parkett legen ist nämlich erschreckend. Für alle Gegner erschreckend. Dabei hätte die Saison so gut angefangen für die Titelkonkurrenz. Die Grün-Weißen legten nämlich einen kapitalen Fehlstart hin, verlieren gegen Mils. Und kommen in den ersten fünf Ligapartien nur auf einen einzigen Sieg. Nichts, wovor man sich fürchten müsste, so für sich genommen. Wären es nicht die einzige Niederlage, die einzigen drei Remis in dieser Saison gewesen. Seit dem Unentschieden gegen den FC Wacker Innsbruck in Runde fünf gab es keinen einzigen Punkteverlust mehr, nur mehr Siege. Mehr noch, im Jahr 2025 erhielt man in drei Pflichtspielen keinen einzigen Gegentreffer, erzielte selbst aber 17 Tore in nur vier Pflichtspielen. Wattens ist on fire. Die einzigen Dämpfer, die man hinnehmen musste, waren Aufbauspiele in der Winterpause, die Akademie-Kicker aus Tirol (4:1) und Salzburg (6:1) zeigten dem Unterländer Nachwuchs die Grenzen auf. Zählt man das so auf, dann ist das nicht gerade leichte Kost, die Wacker am Freitag Abend serviert bekommt. Vor allem, wenn man weiß, wie sehr so mancher Ex-Innsbrucker auf ein Duell mit seinem ehemaligen Ausbildungsverein brennt, egal wo in Tirol er gerade spielt. Und bei Wattens, da spielen einige davon.
Genug, um eine ganze Mannschaft zusammenzustellen sogar. Bei den Juniors wären das Renato Babic, Tobias Zoidl, Michael Neuner, Lukas Schweighofer, Raphael Rauch, Johannes Naschberger und Jakob Klieber. Und dann gibt es ja auch noch den Bundesligisten mit Alexander Eckmayr, Thomas Geris, Florian Rieder, Matthäus Taferner, Yannick Vötter, Cem Üstündag und Lukas Hinterseer. 14 Stück. Vielleicht sollte man in den Medien nicht von den Tirolern im grün-weißen Dress, sondern von den Wackerianern sprechen. Auch wenn das manchem sicher nicht gerade leichtfallen würde, müsste man ja zugeben, dass bei Innsbruck eine Nachwuchspolitik mit Blick auf Kicker aus dem Bundesland betrieben wurde und wird. Und das schreibt man recht ungern. Oder man könnte dann auch weiter in den Statistiken kramen und rausfinden, dass die Wattener Kampfmannschaft mit 41,3% Legionärsspieleranteil nach dem LASK den schlechtesten Wert in der Quali-Gruppe der Bundesliga hat. Und könnte dann frech meinen, dass das vielleicht damit zu tun hat, dass die Kicker aus der Ersten dann doch manchmal in der Regionalliga aushelfen müssen. Alexander Ranacher zum Beispiel. Oder, noch interessanter, das Quartett aus Yannick Vötter, Johann Naschberger, Thomas Geris und David Jaunegg. Interessant deshalb, weil alle vier Bundesliga-Kicker in der fünften Runde gegen die Schwarz-Grünen zum Einsatz kamen und das Tor der Wattener auch aus diesem Quartett stammt.
„Wieso gewinnen die Wackerianer das sicher?“, frag ich über den Tisch. Und denk mir, dass Wattens es gar nicht nötig hat, die Bundesligisten in der Regionalliga spielen zu lassen. Denn, bei aller in den letzten Jahren leider gewachsenen emotionalen Distanz, auf eines kann Wattens stolz sein – auf diese junge Mannschaft in der vierten Liga. Dort fallen auch Tore ohne Verstärkung von oben. Durch den Seefelder Michael Neuner etwa, der auch schon für Wacker seine Schuhe geknüpft hat und bereits achtmal in diesem Jahr jubeln durfte. Oder durch Christian Huetz, den Thaurer, der bereits fünfzehn Tore erzielt hat. Beide 2006er mit Entwicklungspotential. In der Tabelle weist Wattens offensiv nur vier Tore weniger auf als der Tabellenführer aus Innsbruck, auch die 16 Gegentreffer in 16 Spielen sind ein Topwert. „Die gewinnen, weil ich im Stadion bin.“ Ah, deswegen. Der Optimismus der Kinder, die seit weit über 500 Tagen keine Wackere Liga-Niederlage mehr erleben mussten. Und für einen Volksschüler ist das eine Ewigkeit, so ziemlich alles, woran er sich erinnern kann. Das versuch ich ihm auch zu erklären, ganz vorsichtig, um seine Freude nicht zu trüben. Da schaut er kurz auf und sagt: „Hast du bei meinem ersten Spiel auch gesagt. Und was war?“
Schachmatt. Es stimmt, ich hab ihn mitgenommen, im März 2022. Da war er noch im Kindergarten, und ich mir nicht sicher, ob es ein paar Wochen später überhaupt noch einen FC Wacker geben würde. Da haben wir Buben dann einen Ausflug gemacht, über die Berge nach Innsbruck, ins Tivoli, damit er irgendwann sagen kann, er habe den alten Wacker auch mal live gesehen. Dass es das Spiel gegen den Tabellenführer und designierten Aufsteiger Lustenau war, hat mich dazu gebracht, seine Erwartungen gleich vorab zu dämpfen. Es geht um mehr als nur ein Spiel, singt auch Campino. Und dann gewinnen die den Schas, 3:0. Seitdem ist mein Kind von einer Sache ganz fest überzeugt: „Ich bin ein Glücksbringer. Und wir fahren ja am Freitag nach Innsbruck, oder? Also gewinnen sie.“
Manchmal beneide ich seinen grenzenlosen Optimismus.