Skip to main content

Sierra Madre am Tivoli

Es fehlen einem beinahe die Worte. 5900 Zuschauer kamen zum Spitzenspiel in der Regionalliga Tirol. Wo der heimische FC Wacker Innsbruck auf die Verfolger aus Wattens, die WSG-Juniors, traf. Hochspannung im Tivoli war angesagt, ging es doch um die Tabellenführung. Hochspannung wurde dann auch geboten.

Einmal ein positiver Wahlkampf

Es kam mir vor wie bei einer Wahl. Sagen wir, einer Innsbrucker Gemeinderatswahl. Innsbrucks Bürgermeister war schon letzte Woche in Telfs vertreten und am Freitag auch wieder im Tivoli. Aber statt der Wählerstimmen werden bei einem Fußballspiel die Zuschauer ausgezählt (Drehkreuzbewegungen). Die erste Hochrechnung sofort nach Spielbeginn war zu voreilig und ergab schon sensationelle 5551 „Stimmen“ für Schwaz-Grün. Da aber im Laufe der ersten Halbzeit immer noch potenzielle „Wähler“, sprich Zuschauer, durch die Drehkreuze ins Stadion geschritten waren, ergab eine erneute „Volkszählung“ 5900 Zeugen eines denkwürdigen Fußballereignisses. Eigentlich stimmte das Endergebnis weiterhin nicht. Die jüngste „Wählerschaft“ ohne „Stimmzettel“ (Eintrittskarte), welche nicht gesondert gezählt wurden, hineingerechnet, hätte man wohl die 6000er-Marke deutlich überschritten. Das war doch beinahe so, wie einst bei einer Wahl des Bundespräsidenten. Zum Glück muss aber dieses Spiel nicht wiederholt werden. Nicht nur Hauptsponsor „Aichner Logistik“ hatte seine Freude damit. Aus seinen versprochenen 300 Liter Freibier wurden durch die Sponsoren „Alpine Appartments“ und „Maria´s Alm“ am Ende gar 550 Liter des Hopfengetränks gratis ausgeschenkt. Prost! Wie viele „Stimmen“ (Augenpaare) in den Livestreams des FCW, der Tiroler Tageszeitung, FAN.AT und KRONE TV gezählt wurden, entzieht sich meiner Kenntnis. Jedenfalls wurde in Innsbruck mit dieser Rekordkulisse österreichische Geschichte geschrieben. 

Warum blieb die Nord zu?

Ich hatte eine Anfahrt mit einigen Hindernissen. Trotz allem gelang der „Landeanflug“ auf das Tivoli rund 80 Minuten vor Spielbeginn. Vor lauter Schwarz-Grünen erkannte man keinen Zentimeter der Straße mehr. Es sollte erwähnt werden, dass 120 Karten vorher nach Wattens gingen und bereits der kurze Vorverkauf tags zuvor am Tivoli mit 1100 Karten abgeschlossen wurde. Warum wird bei einem derartigen Andrang die Nordtribüne nicht geöffnet? Die aktive Fanszene hat sich zu diesem Thema in einer Stellungnahme geäußert. Hier ein Auszug:

„Zum Spitzenspiel gegen die WSG bleibt die Nord versiegelt. Die Entscheidung hierfür ist von der Fanszene gemeinsam mit dem Vorstand des FCW gefallen.

Der Grund: Unsere Nordtribüne ist ein spezieller Ort. Nämlich ein Raum, an dem unsere Fanszene wirkt und sich entfaltet. Mit viel Wehmut hat man sich ebenfalls in Absprache mit dem Vorstand dazu entschlossen, den Raum für das Ausleben der Subkultur für eine bestimmte Zeit aufzugeben.

Dieser Ort ist so besonders, dass dieser nicht von einem Tag auf den anderen geöffnet werden kann. Zuviel Schmerz liegt in der Entbehrung dieses Raumes für jene Menschen, die unsere Fankultur innigst ausleben.

Bei allem Respekt, den die WSG für ihren Kampf um den Verbleib in der Bundesliga verdient, gebührt unserem heutigen Gegner WSG Juniors die gleiche Aufmerksamkeit, die Kematen, Telfs, IAC usw. zuteil wird.

Unsere einzige Aufmerksamkeit gilt dem FCW und sonst niemandem. Daher soll die Nord erst wieder geöffnet werden, wenn dies bei jedem Spiel des FCW möglich ist.

Wir bitten die gemeinsame Entscheidung der Tivoli Nord und des Vorstands zu respektieren.“

Das ganze Statement hier: https://www.facebook.com/share/p/18vRnSrMMC/

Über dieses vermeintliche „Spiel des Jahres“ wurde viel geschrieben und berichtet. Für Kopfschütteln sorgte so mancher Artikel der einschlägig bekannten Printmedien. Da wurden die Vereine in Bezug auf ihre Regionalität und Jugendarbeit wieder einmal ordentlich auseinanderdividiert und Äpfel mit Birnen verglichen. Dazu brauche ich nichts zu schreiben, sondern nur auf den Statistik-Artikel von Stefan Weis im „tivoli12 magazin“ hinzuweisen:  https://tivoli12.at/2025/04/03/keine-sorgen-papa/

Es wird sogar munter vom „Erzrivalen“ fantasiert. Der spielt aber in Violett und ist nicht in Tirol beheimatet. Wegen der WSG könnte man hierzulande aus einem Lied der Tivoli Nord zitieren: „Wer zum Teufel seid denn ihr?“ Dass aus einer ehemaligen Spielgemeinschaft eine Art Rivalität wurde, haben sich Innsbrucks östliche Nachbarn ganz alleine selbst zuzuschreiben. Wer der FCW ist, hat die WSG am Freitag eindrucksvoll vor Augen geführt bekommen.

Im Dampfkessel

Den letzten Punkteverlust haben die WSG-Juniors vor 1930 zumeist schwarz-grünen Zuschauern in ihrem eigenen Wohnzimmer in Wattens hinnehmen müssen. Das erste Aufeinandertreffen endete mit 1:1. Seither gab es nur grün-weiße Siege am Fließband. Beinahe ein Paarlaufen mit dem FC Wacker Innsbruck. Aber nur beinahe. Die Wattener „Buam“ siegten vorletzten Sonntag bei Michi Streiters FC Volders mit 7:0, während der FC Wacker Innsbruck bei Marcel Schreters Säbelzahntigern in letzter Sekunde zwei Punkte verschenkten. Würden etwa ausgerechnet schwarz-grüne Legenden zu Wackers Sargnägel? Streiter hat wohl mit sich selbst zu ringen, um seine Prügelknaben wieder in die Spur zu bringen, aber Schreter machte sich absolut keine Sorgen um seinen FCW. Sein aufopfernd kämpfendes Team hat mit dem Remis gegen die Wackerianer das Spiel vom Freitag erst so richtig heiß gemacht. Marcel Schreter befand sich – wie viele unserer Konkurrenten – selbst unter den Zuschauern in Tirols Fußballtempel. Bei einigen Vereinen wurde der Trainingsplan geändert, um dabei sein zu können. Beinahe so wie in alten Zeiten. Wenn Wacker ein Spiel im Tivoli hatte, stand der Amateurfußball still. Die jungen WSG-Kicker haben sich dieses Erlebnis des Spitzenspiels vor einer Bundesligakulisse selbst erarbeitet und verdient. Sicherlich wird die Atmosphäre, die vor annähernd 6000 Zuschauern herrschte, für immer in Erinnerung bleiben. Die Profis im Team der Juniors, dachten sich wohl, wie geil dieses verhasste Tivoli doch sein kann. Auch die WSG-Präsidentin war Gast des Fußballspektakels.

Eine magische Nacht

Heiß, heißer, am heißesten und noch hitziger ging es am Freitagabend im Tivoli zu. Vor der Nordkurve war in großen Lettern „WIR WOLLEN DIESES SPIEL HEUTE GEWINNEN“ zu lesen. Bereits eine halbe Stunde vor dem Anpfiff dieser Begegnung brodelte es in Innsbruck Pradl und es wurde richtig laut im Tivoli. Es gab kaum jemanden, in dem es nicht kribbelte. Der Anpfiff musste um 10 Minuten nach hinten verlegt werden. Ein Teil der Südtribüne musste geöffnet werden. Aufgrund des großen Andrangs wurde der „Wacker Kiosk“ schon zur Halbzeitpause geöffnet.
Ein sakrisches Vergeltsgott geht an den Stadionbetreiber! Die Stimmung während dieser 90 Minuten war dann euphorisch, heiß und überschwänglich. Die Gegner taten sich mit dieser hitzigen Atmosphäre lange schwer. Da stand es auch schon 2:0 für die Hausherren. Nach einem weiteren Treffer der Heimischen hatte man den Eindruck, die Schwarz-Grünen würden mit den Gästen kurzen Prozess machen. Aber mit Wattener Effizienz gelang ihnen der Anschluss und als Wacker erneut zugeschlagen hat, segelte ein herrlicher Freistoß der Gäste in die Maschen hinter Innsbrucks Schlussmann Lukas Tauber. Dieses schöne Tor war das letzte Highlight aus Sicht der WSG-Kicker. Dieses setzte das Innsbrucker Publikum, das diesen Abend zu einer „magische Nacht“ am Innsbrucker Tivoli machte. Dieses Erlebnis, diese Stimmung und Atmosphäre schon in Liga 4 haben sich alle Schwarz-Grüne verdient. Was mussten wir nicht alles durchmachen, erleben und uns anhören. Egal, denn wir geben nie auf…

Schlussworte

Glücksbringer Raphael bescherte uns erneut einen Sieg und hatte tags darauf selbst ein Turnier in Schwaz beim großen U7 Funino Festival. Acht Spiele á 10 Minuten und dazwischen lediglich drei Minuten Pause forderten den zahlreichen Nachwuchsmannschaften alles ab. Da war jetzt ich sein Glücksbringer. Sechs Siege hat sein Team erobert, und Raphi hat dabei viele Tore erzielt. Das hat er sich offensichtlich im Tivoli abgeschaut. 

Weiter geht es am 12. April um 14 Uhr am ASKÖ-Platz mit dem Innsbrucker Derby. Da dies eine Doppelveranstaltung mit den Zweitbesetzungen beider Vereine werden wird, kostet der Eintritt vergleichsweise stolze 15 EUR…

Fotos: Daniel Schönherr, Rudolf Tilg, Stefan Weis

Avatar photo

Autor: Rudolf Tilg

Dieser Text stellt geistiges Eigentum des tivoli12 magazins dar und ist somit urheberrechtlich geschützt. Um den Text, oder Teile davon nutzen zu können, setzen Sie sich bitte mit dem tivoli12 magazin in Verbindung.
Skip to content