Abend wird‘s
Wissen Sie, was den Tiroler Fußball retten könnte? Also zusätzlich dazu, den höchstplatzierten Club des Landes statt seinem traditionellen Namen ein „Tirol“ zu verpassen und einen Adler ins Logo zu drängen? Nein, kommen Sie mir nicht mit erweiterter Akademie, Fokussierung auf Nachwuchs, Infrastruktur… Eine Ligenreform! Neue Bezeichnungen, neue Gegner, alles wird besser, sie werden es sehen! Ach ja, Fußball wird auch noch gespielt, Innsbruck trifft auf Wörgl.
Na guten Abend…
Es geht also wieder von vorne los. Da wird ein bisserl rumgestrichen, dort zusammengelegt, da getrennt. Und dann wird’s besser. Außer, dass niemand mehr weiß, welche Ligahöhe man gerade spielt. Da lobt man sich als Osttiroler den Kärnter Fußballverband, in dem es gefühlt seit Menschengedenken gerade eine Reform gegeben hat: die Einführung der Regionalliga Mitte 1994. Und das war ein sehr erfolgreiches Konzept, das im zweiten Jahr einen freiwilligen Absteiger aus finanziellen Gründen brachte, im dritten eine Fusion von VSV und Austria Klagenfurt zum äußerst erfolgreichen Projekt FC Kärnten, dann hats Flavia Solva zerrissen, es folgte Rapid Lienz in den Konkurs… Aber das ist halt der Südosten, könnte im finanziell starken Westen nie passieren. Reformen in Tirol sind eine Erfolgsgeschichte, da braucht man nur zurückschauen, etwa auch in die 90er. Da wurde in Wörgl das Motto ausgegeben: Erfolg um jeden Preis, bis zum Aufstieg bis in die 2. Division. Also, Entschuldigung, erste Division, was ja die zweite Liga war. Reform um jeden Preis, auch um den der Verständlichkeit. Am Anfang stand natürlich eine Ligareform des Verbandes, wie denn sonst könnte so eine Erfolgsgeschichte möglich sein. Im Winter 91/92 überraschte die Ankündigung einer Reform der Regionalliga West. Es gab plötzlich in der Tiroler Liga fünf Aufsteiger und keinen Absteiger. Die neue Westliga spielte einen Herbst mit drei regionalen Zehner-Staffeln in Salzburg, Vorarlberg und Tirol, die ersten Drei qualifizierten sich für das Meister-Play-Off im Frühjahr. Alles easy, alles klar, so wird Fußball attraktiv. Und natürlich hatte der Wörgler Erfolg ausschließlich damit zu tun und nicht etwa mit Enthusiasten wie Alois Wegscheider, der als Hauptsponsor und Präsident den Verein leitete, oder den Alt-Innsbrucker Manfred Gombasch, der in Schwarz-Grün 130 Bundesliga-Spiele, 24 Cup-Partien, 11 Europapokal-Auftritte und 6 Mitropacup-Matches bestritt und als sportlicher Leiter seinen alten Heimatverein nach oben führte.
Buona Sera!
Am Weg dorthin wurde Wörgl zweimal Tiroler Meister, zweimal Tiroler Cupsieger. Auf Innsbruck traf man aber in dieser Zeit nur in dessen Inkarnation als FC Wacker. Also auf die farblich schönste, aber vielleicht zu dieser Zeit nicht erfolgreichste. Oben, da, wo die Lizenz von Wacker als Tirol kickte, da wurde man nicht gesehen. Nicht im Pokalbewerb, nicht in Freundschaftsspielen. Den Hansi, den Vaclav, den Aschyl, die kannte man in Wörgl nur vom Fernsehen. Und fielen damit um das nette Spiel um: schaffe ich es in fünf oder weniger Kontakten bis zum Papst. Also nicht Karol Wojtyla, da hätte der Besuch am Bergisel oder in der Olympiahalle gereicht. Sondern zu Jorge Mario Bergoglio, Papst Franziskus. Denn hätte man gegen die Blau-Weißen gespielt, Thomas etwa, der aus dem Nachwuchs kam und sich in der Kampfmannschaft einen Namen machte, hätte man Pipo getroffen. Und Pipo, der ja eigentlich Nestor Gorosito hieß, hätte von seinem abgebenden Club in Argentinien erzählt, dem vom Salesianerpater Lorenzo Massa gegründeten Club Atlético San Lorenzo de Almagro (von dem Pipo später auch Trainer wurde). Dessen Vereinsmitglied Nummer 88.235, Jorge, war zu dieser Zeit gerade als Jesuit in Cordoba und kurz davor, zum Weihbischof von Buenos Aires ernannt zu werden. Seine Liebe zum Fußball begann früh, wohl schon als 9jähriger mit dem Meistertitel von San Lorenzo, das damals von spanischen Medien als weltbeste Mannschaft bezeichnet wurde. Auch für Jorge waren die 90er Startschuss zu einer Karriere, die ihn schließlich nach Rom bringen sollte. Aus Jorge wurde Franziskus, 2013 grüßte er vom Balkon ganz einfach mit „Buona sera!“ – und San Lorenzo wurde im selben Jahr wieder argentinischer Meister und im Jahr darauf zum ersten Mal Sieger der Copa Libertadores. Ganz so weit ging es für die Wörgler nicht, aber die zweite Spielklasse war aller Ehren wert. Im Cup scheiterte man 92/93 am späteren Pokalsieger Wacker, erreichte 1995 das Achtefinale des Bewerbs mit einem Spiel gegen Rapid Wien, sanierte das Stadion – und verlor 2005, drei Jahre nach der großen Pleite in Innsbruck, die Lizenz aus wirtschaftlichen und infrastrukturellen Gründen.
Guten Abend
Zurück in der Gegenwart trifft Wacker wieder auf Wörgl, diesmal in der Regionalliga Tirol. Pipo ist Trainer bei Alianza Lima in Peru. Thomas, der nach der Cuppartie nach Innsbruck wechselte und Schwarz-Grün trug, wurde seine wackere Liebe nicht los und trainiert nun einen Club, der ihn zumindest halb daran erinnert, die Admira in der Südstadt. San Lorenzo will sein Stadion umbenennen nach ihrem Vereinsmitglied. Und in Tirol wird es wieder eine Ligareform geben, zumindest etwas muss gleichbleiben…
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