Geschichte einer Legende – Tivoli Nordtribüne
Alles begann im März 1974. Damals stand Wacker Innsbruck vor dem dritten Meistertitel in Folge. Rund um das Tivoli wurden Pläne geschmiedet. Die Osttribüne sollte mit einem Wellblechdach ausgestattet werden. Wackers Präsident Erwin Steinlechner bevorzugte eine billigere Lösung. Dem Erwin (mit dem Spitznamen Sparefroh) sollte man ein Denkmal setzen. Diese billigere Lösung waren die Stahlrohr-Tribünen Süd und Nord. Wacker wurde in dieser Saison noch um einen Punkt von VOEST Linz abgefangen. Trotz mehr Siegen und dem mit Abstand besten Torverhältnis. Die Innsbrucker kassierten eine Niederlage zu viel. Am 9. August 1974, dem Start in die neue Saison, war dann die Geburt der österreichischen Bundesliga (vormals Nationalliga) und einen Monat später folgte die Eröffnung der Nord- und Südtribüne im Tivoli. Kurze darauf kam die Flutlichtanlage hinzu. Das Tivoli war für große Spiele bereit.
Das altehrwürdige Tivoli
Schon 1913 wurde am Gelände des späteren Tivolis Fußball gespielt. 1922 begann man mit dem Bau eines Sportplatzes samt Infrastruktur und Tribünen, einer Umkleidekabine, einem Buffet sowie einer Laufbahn. Während des Zweiten Weltkrieges zerstörten 67 Bombentreffer das gesamte Areal. Eigentlich war der nahegelegene Bahnhof das Ziel. Um die Not der Bevölkerung zu lindern, wurde kurz nach Kriegsende auf dem Areal des späteren Tivolis Gemüse und Getreide angebaut. Jedoch konnten unerschütterliche Sportfreunde nicht abgehalten werden und begannen mit der Begradigung des Geländes. Man errichtete Baracken, Tribünen und ein Kommentatorenhäuschen.
Im Frühjahr 1950 waren die Vorarbeiten für das Tivoli abgeschlossen. Geplant war ein Spielfeld mit einer Größe von 70×105 Metern. Bald darauf wurde mit den Arbeiten für die Tribüne im Westen und die Sitzplätze für die eigentliche Stehplatztribüne im Osten begonnen. Das Baumaterial beschaffte man sich vom Bauschutt von zahlreichen Bombenruinen, vorwiegend vom zerbombten Hotel Tyrol in der Maria-Theresien-Straße. Am 29. August 1952 fand die Firstfeier statt. Im August 1953 wurde das Stadion mit dem Spiel zwischen Rapid und OGC Nimes (5:1) eröffnet. Das Stadion war zu dieser Zeit einer der modernsten Sportplätze in ganz Österreich. So waren die Tore erstmals mit runden Torstangen ausgestattet. In der Meisterschaft war der SC Schwaz der erste Gegner des FC Wacker Innsbruck, der mit einem 6:2 das funkelnagelneue Schmuckkästchen Tivoli einweihte.
Insgesamt wurde das Stadion in 531 Tagen erbaut. Wobei es 1951 eine Unterbrechung des Bauvorhabens, wegen des Mangels an Stahl für die Tribünen, gab. Das Stadion kostete ca. 2,3 Millionen Schilling. Heute wären das inflationsbereinigt etwa 1,5 Millionen Euro. Kurz nach der Eröffnung zeigte sich, dass es auf der Westtribüne wie in einem Vogelkäfig zog. Damals schienen aber die Verantwortlichen schneller zu reagieren als heutzutage. Denn schnell wurde auf der Südseite der Tribüne eine Wand aus Plexiglas eingezogen und schon war der Wind der Erste – und bisher einzige – der am Tivoli Stadionverbot bekam. Die Süd- und Nordtribüne waren zu dieser Zeit noch nicht überdacht. Vorne an den Tribünen waren Bänke montiert und hinten zwei bis drei Reihen als Stehplätze vorgesehen. Kaum vorstellbar, dass bis zu 15.000 Leute in diesem Stadion ihren Platz fanden.
Die Tivoli Nordtribüne
September 1974: Zuerst kam der „Tivoli-Roar“ (Süd-und Nordtribüne) dann das Licht (Flutlichtanlage) und ein paar Monate später erblickte der junge „Rudl“ (meine Wenigkeit) dieses Licht des Tivoli-Himmelreiches: https://tivoli12.at/2025/05/26/von-kuenstlicher-aufregung-und-viel-historie/. Seit jeher war die „Tivoli Nord“ die aktivere und lautere Tribüne. Das Warum kann man nur vermuten. Wenn es die Münze des Schiedsrichters vor dem Spiel so wollte, spielte Wacker seit jeher zuerst von Nord nach Süd. Doch vom Bahnhof kommend, war der Südring für mich näher. Also war die Südtribüne meine erste Heimat im Tivoli. In der letzten Reihe ganz oben mittig und als „kleiner Bub“ war die Sicht dort ziemlich eingeschränkt. Aber bärig war es! Später als Selbstfahrer fand ich einen „Geheimparkplatz“ bei einer Gärtnerei. Dort, wo heute der Autobahnzubringer Innsbruck-Mitte ist. Wieder lag die Südtribüne auf dem Weg. Da das Stadion bei weitem nicht immer ausverkauft war, wurden nicht selten in der Pause einfach auch von den Zuschauern die Seiten gewechselt. Von der Südtribüne auf die lautere Nordtribüne. Gegen die Wiener Großklubs war das Tivoli allerdings meistens ausverkauft und der „Pilgerweg“ zur NORD mit Schwarz-Grünen besetzt. Nicht selten schliefen Wiener Fans dann an der Böschung hinter der Osttribüne ihren Rausch aus. Die Atmosphäre im alten Tivoli werde ich niemals vergessen.
Als man nach dem Wiederaufstieg 1981 nicht an den Wiener Großklubs vorbeikam, verringerte sich das Publikumsinteresse. Das änderte sich mit Hansi Müller und Co am Tivoli. Drei Spiele ungeschlagen, dann war der Tivoli gegen den SK Rapid derart rappelvoll, dass es auf den Tribünen kein hinauf oder hinunter mehr gab. Wie in der sprichwörtlichen Sardinenbüchse stand man mehr als zwei(!) Stunden vor dem Anpfiff dieser Begegnung auf den Rängen. Die Innsbrucker feierten damals acht Siege in Folge. Die UEFA-Cup-Spiele in dieser Saison waren dann wohl das Sahnehäubchen des alten Tivolis. Es herrschte eine unbeschreibliche Atmosphäre. Ein echter Hexenkessel, der sogar prominente Zaungäste wie Franz Beckenbauer oder Ernst Happel begeisterte.
Die Entstehung der Fanszene
Fanclubs im heutigen Sinne gab es auf Tiroler Boden noch nicht. Doch die Schwarz-Grünen wussten schon in den Siebzigern über die Grenzen hinaus zu begeistern. In Ostösterreich formierten sich FCW-Fanclubs wie „Ostalgie“ und „SSW-Freunde“, später auch „Constant“ (alle Niederösterreich) oder „Innsbruck Company“ (Wien), die mit eigens angefertigten Kutten auffielen. Selbst im Burgenland und der Steiermark gab es Wacker-Fanclubs. Zu Beginn der Achtziger formierten sich dann auch in Innsbruck die ersten Fanclubs. Die „Black Panthers“ (ebenso mit eigenen Kutten), und „Black Shadows“ waren die Ersten. Schließlich tauchte „Tyrolean Dynamite“ auf, welche damals schon einen Hauch von „Ultra-Kultur“ versprühten. In den frühen Neunzigern brachten dann die „Verrückten Köpfe 91“ endgültig italienisches Flair ins Tivoli und präsentierten sensationelle Choreografien. Die „VK“ galten bis zu ihrem Ende nach 30 Jahren als Vorreiter über Österreichs Grenzen hinaus und fungierten als Brückenkopf für die Ultra-Bewegung nach Deutschland. Die Nordtribüne wurde zu dem, was sie heute noch ist. Zur absoluten Legende, die die „Erben“ der VK weiter befeuern.
Der Höhepunkt
Durch den emotionalen Meistertitel 2000 (den bis dahin achten) wurde die Euphorie ins neue Tivoli (September 2000) mitgenommen. Drei Meistertitel in Folge, Europacup-Triumphe und glorreiche Spiele. Innsbruck war erneut Fußballhauptstadt Österreichs. Über 4000 Fans auf der damals größten Fantribüne Österreichs (der Tivoli Nordtribüne) bescherte dem Mythos ihren Höhepunkt. Die Tivoli Nord war ganz im Gegensatz zur damaligen Vereinsführung an ihrem Zenit angelangt. Robert Hochstaffl (Manager) und Co. hatten hingegen ein recht unterkühltes Verhältnis zu den Fans der Nordtribüne. Wollten die doch schon damals unbedingt zum Gründungsnamen zurück.
Selbst nach dem Konkurs des Vereines (2002) war diese Tribüne bei der Abschlusskundgebung (Grabkreuz vor der Geschäftsstelle durfte nicht fehlen), mit der Radiolegende Rainer Dirkes, gut gefüllt. Auch in der Regionalliga 2002/03 ließen die Fans die Schwarz-Grünen nicht im Stich. Unvergessen bleibt die Relegation in dieser Saison gegen den SV Schwechat vor 14.000 Zuschauern am Tivoli. Auch im neuen Jahrtausend haben sich trotz allem Fanclubs gegründet (bspw. „Nordpol“, „Unterland“).
Das vermeintliche Ende
Im Laufe der letzten beiden Jahrzehnte folgten brutale Tiefschläge auf seltene Höhepunkte. Emotionalen Höhenflügen mit Aufstiegen und Erfolgen, folgten bittere Stunden mit Abstiegen und Existenzängsten. Bis zum absoluten Absturz vor drei Jahren, dem Konkurs der Profiabteilung, sprich der „Wacker Innsbruck GesmbH“(nicht des Vereines!). Mit dem Abstieg ins Unterhaus verlor man sogar die heißgeliebte Tribüne. Trotzdem trägt die „Tivoli Nord“ den FC Wacker Innsbruck durch den Amateurfußball und bringt ganz Fußball-Österreich zum Staunen. Selbst im Unterhaus kamen neue FCW-Fanclubs dazu. „Wacker Inventar“ zum Beispiel.
Von den Alten sieht man immer noch viele Schwarz-Grüne. Ob im Norden oder Süden, im Osten und im Westen, für viele Landsleute ist Schwarz-Grün am Besten. Denn auch in weiter Ferne verfolgt man den FCW weiterhin gerne. Auf jeden Fall haben es viele jetzt erkannt, unser FC Wacker Innsbruck ist ein besonderer Verein mit Potenzial. Journalisten rätseln um das Geheimnis der Schwarz-Grünen und diverse Entscheidungsträger in Tirol sehen inzwischen ihren Fehler – aufs völlig falsche Pferd gesetzt zu haben – ein.
Die Rückkehr der Nord
Obwohl ständig geschrumpft, wie in einer Achterbahn der Gefühle, braucht die „Tivoli Nord“ in ihrer Kreativität, Buntheit und Vielfalt keinen Vergleich zu scheuen. Seit man im Unterhaus ist, wurde die Nordtribüne nur ein einziges Mal geöffnet. Es war zum 110-Jahre-Jubiläum. Doch am Samstag, beim letzten Heimspiel der Saison. Wird die NORD für die Meisterfeier reaktiviert und soll von nun an wieder bei jedem Heimspiel des FC Wacker Innsbruck geöffnet sein. Kommt am Samstag ab 16.00 Uhr ins Tivoli und überzeugt euch von der Rückkehr des Mythos, der Legende. Die Tivoli Nordtribüne ist wieder da!