Make Pinzgau Great Again!
Der Traum, zu Geld zu kommen, um persönliche Wünsche zu erfüllen, weckt ungeahnte Phantasien. Da lässt manch einer gleich reihenweise Stockwerk-Nummern aus, um den eigenen, ähm, Tower größer erscheinen zu lassen und mehr Miete kassieren zu können. Schwindelt eigenes Vermögen vor, um Investoren zu angeln. Verwendet Spendengelder für private Zwecke. Oder baut eine Cryptowährung, deren Absicherung das eigene Abbild als Präsident ist und sonst nix. Ganz so einfach hat es da der Fußball nicht, um zu Geld zu kommen – wobei Kreativität auch hier schon oft seltsame Blüten trieb. Eine besonders schöne Blüte findet sich in Saalfelden.
Great, aber falsche Jahreszeit
Saalfelden. Die Stadt, geprägt von der Saalach, dem Salzburger Fluss mit seinen Eigenheiten. Denn anfänglich ist die Saalach ja tirolerisch, rinnt still und leise und im Schatten des Gamshag, noch in Jochberg gelegen, aus dem Torsee den Berg hinunter. Gibt Orten ihren Namen, etwa dem berühmten Wintersportort Saalbach, in dem sich vor wenigen Monaten die US-Amerikanerin Breezy Johnson zur Weltmeisterin kürte. Breezy kommt nebenbei aus Jackson, Wyoming, der Partnerstadt von Lienz, wohnt doch dort der Skifahrer Pepi Stiegler, der in Squaw Valley Silber, in Innsbruck Bronze und Gold bei Olympia für die Tiroler Statistik einfuhr. Der Wintersport begleitet die Saalach bis zu ihrer Mündung, auch wenn ihre Lebensgeschichte kurz vor dem Zeller See eine Wendung macht. Unwillig, in diesen zu münden, dreht sie 2 Kilometer von ihm entfernt plötzlich nach Norden ab und gibt dem Becken seinen Namen, das der FC Wacker Innsbruck am Sonntag besuchen wird: Saalfeldner Becken. Wirtschaftlich bespielt über lange Zeit von Bayern aus, gehören auch heute noch 185 km² „Saalforste“, die das Holz für die Reichenhaller Saline lieferten, dem Staat Bayern. Also 528mal das alte Matrei am Brenner, oder immerhin noch 3,6mal das neue. So richtig lebendig wird es in Saalfelden, von wo aus die Saalach dann Richtung Bayern entschwindet, mit der Eisenbahn. Mit ihr kommt der Tourismus, kommt die Wirtschaft, kommt der Sport. Der ist aber zunächst winterlich behaftet, schon ein Jahr vor Wackers zarten Wurzeln wird dort ein Wintersportclub gegründet. Und die Stadt bringt dann auch so manchen Namen hervor: Felix Gottwald, Bernhard und Simon Eder, Julian und Tobias Eberhard, Thomas, Wolfgang und Kathi Hörl. Und natürlich Marlies Schild. Wär halt schön, wenn es im Sommer auch was gäbe.
Great, aber lange her
Gab es. Wenn man über den Grießenpass rüber nach Salzburg fuhr, konnte man in Saalfelden gleich zwei Vereine bewundern. Aber so wirklich halt erst, als die Amerikaner schon da waren und für Recht und Ordnung sorgten. Der 1. Saalfeldner SK wurde 1947 gegründet, spielte zeitweilig in der höchsten Amateurliga und brachte etwa Wolfgang und auch Laura Feiersinger, Stefan Schwab und Christoph Schösswender das Kicken bei. Und lotste Peter Orosz nach Österreich, bevor er das schwarz-grüne Trikot überstreifte. Der ESV Saalfelden, der jüngere der beiden, wurde 1952 aus der Taufe gehoben, schaffte es auch bis in die Regionalliga West. Alfred Jirausek, der einmal für 18 Minuten für Innsbruck in der Bundesliga kickte, stammt vom ESV, auch Helmut Voggenberger mit seinen 36 Spielen in den Meistermannschaften – wobei er eigentlich 1968 in Grenoble bei der Olympiade nordisch kombinierte. Von diesen Vereinen ist nichts mehr übrig. Nachdem in den Nuller-Jahren eine Spielgemeinschaft gegründet worden war, kam es 2007 zu einem völligen Neustart: der FC Pinzgau Saalfelden wurde aus der Taufe gehoben. Mit Ambitionen.
Hilfe, die Amis kommen!
Saalfelden, mit seinen 15.000 Einwohnern, wurde zum Fanprojekt. Aber nicht so, wie wir das kennen, sondern zum Investoren-Fan-Projekt. Zu den Montainous Pine Blues, zu einem Fußballprojekt des Football-Gedankens an die Green Bay Packers. Die sind in der NFL das einzige Franchise, das keinem Owner gehört, sondern den Fans, den Anteilseignern. Wär man im europäischen Fußball großgeworden, würde man vielleicht Mitgliederverein sagen, in einer seiner vielen Ausprägungen. Aber der bringt ja nicht immer Geld, drum wurde Pinzgau 2019 zum Fan-owned-Club. 500 Dollar bringen einen Share, also einen Anteil, der eigentlich keinen Benefit, also keinen Vorteil bringt, keinen Zugang zu Matches, also zu Spielen, keinen Discount auf Merchandise, also Preisnachlass bei Produkten… Aber die 500 Dollar, die Idee, änderte zumindest die Alltagssprache. Selbst die Homepage blitzte plötzlich auf Englisch um. Und es gab plötzlich drei Amerikaner mit einer Basisinvestition von 250.000 Euro, Christian Ziege als Sportdirektor und Trainer, seinen Sohn Alessandro als Spieler und so manchen jungen US-Boy als Teamkollegen. Und das nicht nur bei den Herren, mehr noch bei den Damen. Die Frauenabteilung wurde aus Nordamerika geflutet, die Bundesliga war das Ziel. Das wurde nicht erreicht, im Kader finden sich dennoch noch sieben Stars-And-Stripes bei der Länderherkunft, neben Tirolerinnen wie Milena Eiterer, Alina Neuner, Anna Stöckl, Miriam Schiestl oder Alexandra Winkler. Bei den Herren waren die Ziele ja nicht unähnlich, die vorsichtigen sprachen vom Profifußball in der zweiten Liga, die lauteren posaunten von der Champions League.
Fans statt Investoren
Die spielt es derzeit noch nicht in Saalfelden. Es ist im Gegenteil sogar sehr ruhig geworden im Fan-owned-Club. An der Seitenlinie steht mit Ex-Wackerianer Florian Klausner ein bodenständiger Arbeiter mit Vision, am Feld steht ein bunter Mix aus Europa, Afrika und Südamerika, aber kein US-Boy mehr. Der von der Meisterliga träumende Vorstand hat schon 2020 seinen Hut genommen. Und eine kleine Zeile im englischsprachigen Wiki-Artikel erwähnt: „In December 2024, Fan Owned Club closed due to financial issues.“. Den Verein gibts weiter, getragen von viel freiwilliger Arbeit, von den Fans, die den Club nicht besitzen, aber erhalten. Und mit den angereisten Schwarz-Grünen den Sonntag zu einer Fußball-Party machen werden.
Bild: KI generiert