Da wo die Heimat ist
Sportstadt Kitzbühel. Da kommen zu einem Event schon mal über 80.000 Fans, das zehnfache der Einwohner, in die kleine Stadt. Für das 5.800 Zuschauer fassende Stadion wird gerade an einem Dach geplant, dass selbst Spieler keinen Regentropfen mehr abbekommen. Oder man sperrt einfach mal die Straßen, wenn es der Sport benötigt, trotz der Durchzugsroute Brixental oder rauf nach St. Johann. Allerdings ist das eine Skifahren, das andere Tennis, das nächste Radmarathon oder Triathlon. Fußball, das ist dann doch eher ein Randthema in der Sportstadt.
Da wo die Herzen schlagen
Dabei ist der Großraum Kitzbühel ja übersät von fußballerischen Talenten. Beckenbauer hatte hier sein Domizil, Alaba hat sich ein kleines Appartement gesucht, Bierhoff, Kimmich, Schweinsteiger oder Nagelsmann haben auch ein Zimmerchen in der Gegend. Und sie reihen sich nahtlos in eine Geschichte eine, die schon vor einem Jahrhundert begann, fand sich ja etwa auch der Kurzzeitkönig Edward VIII von England unter den mondänen Gästen. Allerdings war es nicht der kurze Rasen, es waren Schnee und Sand, die sportlich für Furore sorgten. Und die Berge, die lockten. Am Anfang steht die Bahn. Giselabahn. Oder Kaiserin-Elisabeth-Bahn. Eigentlich Salzburg-Tiroler Bahn. Mit den genauen Namen haben es die Kitzbühler nicht so, Hauptsache es klingt gut. Geht ihnen auch mit dem Fluss so, der sie durchzieht. Denn sobald die Jochberger Ache in die Stadt kommt, heißt sie Kitzbühler Ache. Um dann in Großache umbenannt zu werden, von Kanuten auch St. Johannser Ache genannt, bevor sie bei Erpfendorf zur Kössener Ache wird, die dann den Bayern als Tiroler Ache bekannt ist. Also die Bahn, 1875. Die bringt Touristen, die wollen auf die Berge. 1877 gibt es dann schon den ersten Alpenverein vor Ort. Das wäre nebenbei dasselbe Jahr, in dem in Wimbledon das erste Turnier stattfand. Und nur 12 Jahre später wird auch in Kitzbühel Tennis gespielt. Die Plätze finden sich für über 120 Jahre dort, wo auch der Pferdesport auf der Trabrennbahn seine Kreise zieht. Rollende Bälle sieht man da noch keine.
Da wo die Berge sind
Schon eher kullernde Steine. 1909 findet hinter dem Grand-Hotel, dem heutigen Park-Hotel, das erste Bandy-Hockey-Match statt. Der Vorläufer des Eishockeys, als man einen Steinball mit Landhockey-Schlägern versuchte, in den Kasten des Gegners zu jagen – einem Kasten, so groß wie ein Handballtor. Im Jahr darauf gründet man in Kitzbühel den Sport Club, der aber nur für das Eis zuständig ist. Da gibt es die Wintersportvereinigung, die sich mit dem Sport auf den Bretteln auseinandersetzt, schon acht Jahre lang. Nur dem Leder will noch niemand wirklich nachlaufen. Zu proletarisch vielleicht, zu wenig exklusiv. Und die Berge bringen ja mehr Geld. Erst 1930 kommt es in einer Stadt voller Sportvereine zur Gründung des Sportverein Kitzbühel. Nur wenige Monate, bevor der Kitzbühler Sports Club, der Club der Grafen und englischen Adeligen, auch Sporting Club genannt, sich mit dem Wintersportverein zum Ski Club zusammenlegt und erstmals nicht am Horn, sondern am Hahnenkamm ein Rennen ausrichtet. 1930 also geht es los mit dem Vereinssport für die Leichtathleten, die Boxer, die Fechter – und die vierte Sektion, die Fußballer. Meister der Unterinntaler Liga, Auflösung, Neugründung nach dem Krieg, ein Ballesterer-Leben zwischen Landesliga und Gebietsliga. Mit Kickern, die im Winter einen deutlich besseren Ruf hatten: Toni Sailer, Christian Pravda, Johann Ernst „Hansi“ Hinterseer etwa. Nicht ganz unbekannt, diese Kombination. „Karli Unser“, der Schranz, wurde von Olympia in Sapporo ausgeschlossen, nachdem er bei einem Fußballturnier ein Jersey mit Kaffeewerbung getragen hatte und damit gegen das Amateurgesetz verstoßen haben sollte. Und bei Innsbruck kickte jahrelang eine Olympia-Silbermedaillengewinnerin und zweifache Weltmeisterin, Daniela „Pinky“ Iraschko-Stolz wurde in Schwarz-Grün mehrfach österreichische Vizemeisterin.
Da wo das Glück beginnt
Das sind Titel, von denen man in Kitzbühel nur träumen kann. Nach den „Drittliga-Jahren“ der 50er und frühen 60er startete der FC erst durch, als Eurotours in den 90ern als Partner einsteigt. Die dritte Generation Hinterseer nach Ernst, Guido und Hansi – Lukas und Nicolas – steht dann nicht am Brettl, sondern am grünen Rasen, lernen dort ganz anständig das Kicken und treffen etwa im DFB-Pokal im Spiel Unterhaching gegen Ingolstadt aufeinander. Das ist 2015, da spielt der FC Kitzbühel bereits wieder in der Regionalliga West und wird dort im letzten Jahrzehnt zu einem regelmäßigen Gast. Dreimal erreicht man in dieser Zeit das Tiroler Cup-Finale, qualifiziert sich für den ÖFB-Cup, erreicht Tiroler Meistertitel. Auch wenn man im letzten Jahr nur Rang 14 erreichte, zeigte man in diesem Jahr schon was man kann. Die Reichenau geschlagen, Wals-Grünau ebenso, Saalfelden einen Punkt abgerungen, nur Dornbirn musste man sich beugen. Nicht zuletzt die Treffgenauigkeit von Raul Baur trägt derzeit dazu bei, dass Kitzbühel ein bisschen im Fußballglück schwelgt…