Die Kitzbühel-Saga
Am vielleicht prominentesten Ort Tirols, abgesehen vielleicht von Schwaz und Innsbruck, erwartete der lokale FC Kitzbühel den zweifellos namhaftesten Fußballverein des Bundeslandes – unseren FC Wacker Innsbruck. Unweit der legendären Kitzbüheler „Streif“ feierten die Schwarz-Grünen einen ungefährdeten 3:0-Auswärtssieg.
Holpriger Start
Üblicherweise erfolgt der Start bei der legendären Hahnenkamm-Abfahrt auf der Streif mit Höchstgeschwindigkeit. Vom Startschuss bis zur Mausefalle (160 m) benötigen die Rennläufer maximal 8,5 Sekunden. Eine Beschleunigung wie bei Autos mit ordentlich PS unter der Haube. Die wackeren Ballesterer in der Sportanlage Langau ließen es da wesentlich gemütlicher angehen. Die „Mausefalle“ der Streif hat 86 % Gefälle. Für die wagemutigen Rennsportler bedeutet dies einen beinahe freien Fall, wenn sie an die 50 Meter über die Kannte ins Ungewisse springen. Hierbei erreichen sie auf zwei Brettern eine Geschwindigkeit von mehr als 120 km/h. Die Schwarz-Grünen zu Gast in Tirols Wintersportmetropole ließen sich zur Sonntagsmatinee von der heimtückischen „Mausefalle“ jedoch nicht austricksen. Gut, der Rasen ist flach und der Ball rund. Wohl eine leichtere Aufgabe, mit den Füßen den Ball zu treten, als auf Brettln auf Schnee – oder richtiger Eis – den Steilhang hinunter zu donnern. Beim Fußballspiel in Kitz kamen sich die Spieler des FC Kitzbühel wohl vor, wie oben in der „Karusellkurve“ der Streif. Hier wirken Fliehkräfte bei der Abfahrt von 3,1 G auf die Rennläufer ein. Mit einer Führung der Wackerianer und einer hervorragenden „Zwischenzeit“ ging es in die Kabinen.

Weiter geht die wilde Sause
Nach dem Seitenwechsel entwickelte sich das RLW-Spiel in der Gamsstadt wie auf einer schiefen Ebene in Richtung Kitzbüheler Tor. Daran änderte auch der besonders hochstehende Rasen auf dem Spielfeld nichts. Schief oder steil bergab, wie am „Steilhang“ der Streif, dem eisigsten Abschnitt der Abfahrt. Danach würde der Brückenschuss folgen. Bei einer Brücke gab es doch gerade etwas. Die Eröffnung der neuen Steinbrücke in Schwaz.
Über 90 Jahre hatten die Schwazer Angst vom Wasser darunter. Am Freitag bei der Eröffnungsfeier wohl eher vom Wasser, das von oben kam. Was hat das jetzt mit unsrem Fußball zu tun? Ich gebe zu – auf den ersten Blick nichts. Aber der Kontext ist gut. Der dort beheimatete Ligakonkurrent SC Schwaz hat am Freitag nach einem klaren 1:4 Auswärtssieg in Seekirchen die Tabellenführung von den Schwarz-Grünen übernommen. Aber die Silberstädter dürften keine Freude damit haben. Wechselte Trainer Akif Güclü (Wackers Ex-Trainer) doch sechs, statt der erlaubten fünf Spieler, ein. Das dürfte dann wohl ein 0:3 für den SV Seekirchen werden. Was wiederum die 150 Zuschauer in Seekirchen gefreut haben dürfte. Wo gehobelt wird, fallen Späne. Das war wohl ein klassischer Einfädler und wird am „grünen Tisch“ zur Disqualifikation führen.
Aber das zeigt, dass die Konkurrenz nicht ohne ist und der Schlüssel zum Platz an der Sonne in der Konstanz liegen wird. Außerdem fällt wohl völlig unters Radar, dass der SV Kuchl der heimliche Tabellenführer ist. Mit einem Spiel weniger liegen die noch ungeschlagenen Salzburger nur zwei Punkte hinter der Spitze.
Um wieder auf Kitzbühels legendärer Abfahrt zu schwenken, würde nach dem Steilhang das „Gschöss“ kommen. Mit 650 Metern ist das das längste Gleitstück auf der Streif und die einzige Passage um Luft zu holen. Ausschließlich vor dem Pausenpfiff waren die Spieler des FC Wacker Innsbruck etwas auf Gleitkurs, und die Gelb-Grünen konnten etwas durchatmen. Ohne selbst Gefahr zu erzeugen.

Jetzt geht es aber ab
Für die Wintersportler folgt nach dem Gschöss der Hahnenkamm-Abfahrt die „alte Schneise“, ein anspruchsvoller Abschnitt, der durch schnelle Geländewechsel und hohes Tempo nicht selten entscheidend ist. Dem „Seidlalmsprung“, folgt der „Seidlalmschuss“ und die „Seidlalmkurve“. Ab da geht es so richtig rasant dem Ziel entgegen. Wie auch am Sonntag in der Sportanlage Langau. Von der mit Schwarz-Grünen voll besetzten Tribüne schallten „schöne Klänge“, die laut Social Media sogar der ortseigenen Schifahrerlegende Hansi Hinterseer gefallen, und die Heimischen am Spielfeld wurden umrundet, wie es einst der Hansi mit den Slalomstangen tat. Wacker peilte einen erneuten Kantersieg an. Der „Lärchenschuss“ wäre hingegenein ein weiteres „Gleitstück“ auf der Streif. Dann kommt der „Oberhausberg“, die „Hausbergkante“ und die „Hausberg-Kompression“. An diesem Streckenabschnitt wird eine Fliehkraft von 3,5 G und über 100 km/h erreicht. Den Kitzbüheler Fußballern dürfte sonntags, jenseits von 12 Uhr mittags, von so vielen Fliehkräfte am Spielfeld etwas schwindlig geworden sein.
Dem Ziel entgegen
Die „Traverse“ oberhalb des Zielschusses verlangt den Läufern alles ab. So mancher ist da schon im hohen Bogen in die Fangnetze geflogen. So wie das Spielgerät in Langau die Tornetze der Hausherren dreimal bauschte. Damit waren die Gastgeber noch gut bedient. Der Zielschuss und die Zielkompression auf der Streif sind an Spektakel nicht zu überbieten. In der Sportanlage Langau waren die Schlussminuten auch nicht weniger spektakulär. Ein Angriff folgte dem anderen. Leider hat die Präzision etwas gefehlt. Unserem Neo-Stürmer Albin Krasniqi hätte man das Tor nur all zu sehr gegönnt. Leider stand er knapp im Abseits. Jetzt nur noch der „Zielsprung“ (Schlusspfiff) und dann durch das Ziel. Bestzeit!
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass ein deutlicher Sieg der Schwarz-Grünen, das Ausbleiben von Schäden am Rasen (wie kann sich ein riesiges Loch während des Spiels auf den Feld auftun, liebe Stadionbetreiber in Linz und Wien???) und gute Gastgeber (besonders an den Verpflegungsstationen) dann doch für die wahrlich fan-unfreundliche Anstoßzeit von 11.00 Uhr entschädigen. Hätte das Spiel am Nachmittag – oder noch viel besser am Samstagabend – stattgefunden, wären sicherlich weit mehr als 1053 Besucher im Stadion Kitzbühel aufgetaucht. Das wäre ein Fest geworden. So war es ein gemütlicher Sonntagsausflug, der wohl niemandem so richtig in Erinnerung bleibt. MOMENT! Die genialen Tore von Tekir (Heber aus dem Mittelfeld) und Gstrein (spektakulärer Volley-Heber aus spitzem Winkel) waren dann doch wirklich zum Zungeschnalzen und wahrlich spektakulär! Die sollten sehrwohl in Erinnerung bleiben.
Fotos: Rudolf Tilg