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Spalter!

Vor genau 100 Jahren ging eine kleine Odysee zu Ende. Der FC Lustenau, ältester Fußballverein des kleinen Stückes Österreich jenseits des Arlbergs, bezog am 12. April 1925 seine neue Heimstätte, das Stadion an der Holzstraße. Ganz freiwillig war es nicht, und Schuld daran war eine aufgeladene politische Stimmung, die den Fußball in ganz Österreich, aber exemplarisch in der Marktgemeinde am Rhein prägte.

Volksfront von Judäa?

Szenenwechsel. 70 Jahre nach der Gründung des FC Lustenau recherchierten eine Hand voll Briten das Leben in Palästina zur Zeit der römischen Besatzung, beschäftigten sich mit dem Leben des Jesus und warfen sich gegenseitig Sketche um einen 13. Apostel namens Brian zu. Monty Python nannten sie sich, und sie machten sich beim Erstellen ihres nächsten Drehbuchs nicht nur über die Messiasgläubigkeit, sondern auch über die Spaltungen der politischen Szene lustig. Judäische Volksfront? Volksfront von Judäa? Populäre Front? Gerne verlor man dabei die Übersicht.

Übrigens auch eben sieben Jahrzehnte zuvor, wenn es darum ging, wer mit wem und vor allem gegen wen hinter dem runden Leder nachlief. Als der damalige Vorsitzende des Schweizer Fußballclubs FC Romanshorn, Emil Brüschweiler, 1906 seinen Wohnsitz nach Lustenau verlegte, bei der Stickerei Eduard Alge & Co zu arbeiten begann und dem Turnverein 1880 beitrat, suchte er dort Gleichgesinnte, mit denen er den aus Großbritannien auf den Kontinent übergeschwappten Fußballsport frönen könnte. Am 18. August 1907 trug die neugegründete Fußballriege auf dem Turnvereinsplatz ihr erstes Wettspiel aus. Ein paar Freundschaftsspiele später war es mit der Freundschaft im Turnverein vorbei, die internen Spannungen führten schon am 20. September zur Gründung des FC im Gasthaus Sonne, 21 Turner waren jetzt auch Fußballer, Eduard Bösch Präsident. Im Mai 1908 veranstaltete man schon das erste internationale Turnier mit Teams von allen Seiten des Bodensees und auch Fußball Innsbruck, befruchtete den Fußballsport im Ländle mit ersten Spielen etwa am Zanzenberg in Dornbirn, gründete einen überregionalen Fußballdachverband mit Schweizern und Süddeutschen, trug die Bodenseemeisterschaft aus und suchte sich namhafte Gegner, etwa den Wiener Sportclub, die Reserve des FC Bayern München, Concordia Basel, Union Sportive Paris oder Young Fellows Zürich. Alles eitel Wonne, könnte man meinen.

Populäre Front?

Pustekuchen. Im April 1914 wollten auch die Turner des Turnerbundes tschutten. Und der Turnerbund ist nicht der Turnverein, im Gegenteil. Die einen christlich-sozial, die anderen liberal-deutschnational. Und weil der Ball weiß, wie man politisch ticket, musste ein neuer Verein her. 1919 kam es erstmals zu einem Aufeinandertreffen der Lustenauer Ortsrivalen, der Turnerbund, später Austria Lustenau, gewann das Spiel gegen die 2. Mannschaft des FC mit 1:0. Und weil manch Lustenauer weder brav katholisch der marianischen Jugendkongregation anhing oder zwar deutschnational, aber nicht liberal war, gründete sich 1919 aus dem Turnverein Jahn eine dritte Fußballabteilung. Bei damals 8000 Einwohnern, wohlgemerkt. Lustenau war 1919 also Heimat der Hälfte aller in Vorarlberg existenten Fußballvereine, der Hälfte aller Gründungsmitglieder des 1920 im Hotel Rhomberg in Dornbirn gegründeten Fußballverbandes. Im selben Jahr wird noch ein Club in den Verband aufgenommen: Der FC Hag-Lustenau. Es kann ja sein, dass man zwar deutschnational, nicht liberal, aber auch kein Jahnturner ist. Der FC Hag bekennt sich 1933 nebenbei in einer gemeinsamen Sitzung mit dem damaligen Leiter der Lustenauer Ortsgruppe der NSDAP, Oskar Hämmerle, vorbehaltlos zur nationalsozialistischen Ideologie, hisste am Hagplatz die Hakenkreuzfahne und blieb dem Gedankengut auch nach Verbot der Partei treu – im August 1934 wurde der gesamte Vorstand und 20 Spieler verhaftet, der Verein aufgelöst.

Judäische Volksfront?

Der Verein blieb verschwunden. Das Gedankengut aber leider nicht. Mit der Machtübernahme der Nazis wurde der Fußballbund aufgelöst, die erste Ära des Sports im Ländle endete. Eine Ära, die vom FC Lustenau dominiert wurde. Kein anderer Verein war auch nur annähernd so erfolgreich wie der älteste Fußballclub, der FC gewann 14mal den Vorarlberger Meistertitel, zweimal die Bodensee-Meisterschaft, zweimal die Kreisliga Bodensee-Vorarlberg, zweimal die Meisterschaft Tirol-Vorarlberg, erreichte die Endrunde der Bundesamateurmeisterschaften des Österreichischen Fußballbundes. Trotz aller politischer Differenzen, trotz des Rauswurfes aus dem Heimstadion an der Schützengartenstraße durch die christlich-soziale Stadtregierung, die Eigenbedarf für den Bau eines Armenhauses am Gelände anmeldete und so auch dem befreundeten Turnerbund sportlich weiterhalf. Innerhalb weniger Wochen erwarb der FC zwei Grundstücke an der Holzstraße um insgesamt 20.000 Franken und baute seine Heimstätte, die auch jetzt, 100 Jahre später, noch das Wohnzimmer des Vereins ist. Sportlich, auch wirtschaftlich, gab es in der zweiten Hälfte der Vereinsgeschichte so manchen Strudel, doch der FC kam immer wieder auf seine Füße. Und kann nun als Aufsteiger auf eine stabile Regionalligasaison bauen. Reichenau geschlagen, Dornbirn auf der Birkenwiese gedemütigt, Saalfelden geknackt, Kitzbühel ein Remis abgerungen. Der FC kann, wenn er will.

Bild: KI generiert

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Autor: Stefan Weis

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