Kennst du die Perle…
…die Perle Tirols? Jaja, das Städtchen Kufstein kennt man. Nicht erst seit dem, ja was eigentlich, wohl schon fast Schlager denn Volkslied, den (oder das) Karl Ganzer 1947 geschrieben hat. Der Mäcki an der Autobahn, der Bahnhof, der Grenzübergang. Der grüne Inn, die Römerhofgasse, zwei Stadtplätze. Natürlich die weit sichtbare Festung, die oben thront. Und noch vieles mehr. Nebenbei, auch im Fußball waren sie lange Zeit ganz oben sichtbar.
Streit um die Perle
Ja, lange Zeit, auch wenn der FC, gegen den es am Sonntag geht, erst 1987 als Gründungsjahr angibt. Eine Fusion, wie es so viele gegeben hat im österreichischen Fußball. Denn dem Sport am grünen Rasen, dem frönt man in der Festungsstadt schon recht früh. Kein Wunder, Kufstein hatte durch die Geschichte immer eine Bedeutung, vor allem als Grenzstadt. Mal war man drüben, mal da. Drüben etwa, in Bayern, bis 1505/06. Da war man schon 700 Jahr erwähnt und mit Kirche ausgestattet, hatte schon (genau) dreihundert Jahre eine Burg und 100 Jahre das Stadtrecht. Kurz war man schon tirolerisch gewesen, war man – als Perle eines Brautschatzes – das Brautgeschenk der Bayerischen Herzöge an Gräfin Margarete von Tirol-Görz gewesen. Über deren Besitzanspruch sich die Habsburger und Wittelsbacher ja schon früh verständigt haben: Die Tiroler Gräfin soll Tirol haben (das, was wir jetzt als Südtirol bezeichnen, mit Blick aufs Trentino, den alten Süden), der Norden, also das Inntal, das soll zu Bayern. Da hatten die Tiroler was dagegen. So wie man oft ums Land streiten musste, kein Wunder, ist doch auch schön. 1369 war man wieder bayerisch, bis König Maxl mit der Scharmetze „Löwen“, aber vor allem mit „Purlepaus“ und „Weckauf“ an den Toren anklopfte und sich die Stadt sicherte, die ihm im Schiedsspruch zum Landshuter Erbfolgekrieg zugesichert worden ist. Gut, dass er den Schiedsspruch selbst verfasst hat. Kufstein war nun Tirol, Grenzstadt in die andere Richtung. Und die Stadt wuchs. Als die Eisenbahn kam, waren es knapp 2500 Einwohner, am Ende der Monarchie 7000, zu Beginn der 2. Republik 11.000, zur Jahrtausendwende 15.000, nun schon 20.000. Und blickt man auf den Großraum, der Schwoich, Langkampfen, Thiersee, Ebbs, Niederndorf und vor allem die bayerische Schwester Kiefersfelden mitdenkt, dann sind es 45.000 Menschen auf kleinem Raum. In so einem Ballungsraum kann schon was entstehen.
Ball statt Perle
Ist es auch, fußballerisch. Und auch hier stand dann der Blick über die Grenze Pate für die neue Mannschaft. Der am Inn ansässig gewordene Deutsche Arthur Lamche, der schon im Reich in einigen Teams gekickt hatte, suchte sich nach dem großen Krieg Sportfreunde. Und fand sie. Im Gasthof Neuwirt konstituierte man sich als Sportverein Kufstein 1919. Sechs Jahre später widmete der Bürgermeister dem „Fortschrittlichen Bürgerverein“ einen „Tummelplatz für die Jugend“, einen neuen Sportplatz an der Feldgasse. Eine Perle in der Perle, eine Naturarena mit schon gegebener Erhöhung an der Ostseite. Ein Träumchen unter den alten Plätzen. Der wurde 1930 erstmals Spielort für die Tiroler A-Liga, endlich durfte man sich als einziger Nicht-Innsbrucker der Tabelle mit den Landeshauptstädtern messen. Und zahlte dementsprechend Lehrgeld. 38 Gegentore in 12 Spielen, zwei Siege und ein Remis. Ganz so Festungs-haft war der erste Auftritt ganz oben noch nicht. Vor allem, es endete in Strafverifizierungen, da man aus der Meisterschaft ausstieg. Damit landete man am letzten Platz der Liga. Und aus Innsbrucker Sicht muss man nicht erwähnen, dass im Herbst die Unterländer den Wacker mit 4:2 besiegt hatten und die Schwarz-Grünen die rote Laterne trugen. Nach der Auflösung folgte der Neubeginn, aus dem SV wurde ein SC. Mehr noch, Kufstein wurde als erster Sportverein in Tirol reaktiviert. Im Grenzlandstadion tummelten sich in- und ausländische Mannschaften, die großen Namen zogen manchmal Besucherzahlen an, die das heutige Fassungsvermögen um vieles übersteigen. Und für drei Monate stand ein Name bei Kufstein am Werbeplakat, der in Österreich einen großen Klang hatte: Franz „Bimbo“ Binder. Ja, der Bimbo, der einstige Rapid-Stürmer, damals vierfacher Österreichischer Meister, einmal Deutscher Meisster, einmal Deutscher Pokalsieger, der aus dem Wunderteam. Der mit dem „damischen Schuss“, der im Tschammer Pokal gegen Bayern München so fest schoss, dass das Netz zerriss. Binder war zuvor im Schrecken von Kursk und Orel im Einsatz gewesen, landete im Kriegsgefangenenlager von Kufstein. Und wurde vom französischen Kommandanten als der Kicker aus den Freundschaftsspielen Rapids in Frankreich wiedererkannt und avancierte für kurze Zeit zum Kapitän des SC und dessen Organisator. Eine fußballerische Perle in der Stadionperle in der Stadtperle, sozusagen.
Glanzlose Perle
Es gäbe noch so viel zu erzählen über die Ballesterer im Unterland. Über den ESV, der 1948 als zweiter Verein gegründet wurde, über die Erfolge der beiden Vereine, die Zeit in der zweiten Division. Über die Fußballer, die ihren Weg nach Innsbruck fanden. Oder auch Präsidenten, die das taten. Über ÖFB-Cuppartien, die Innsbruck zweimal mehr als nur forderten. Und dann schaut man auf die diesjährige Tabelle und kann sich nur wundern: 13 Spiele, kein einziger Sieg, sieben Niederlagen, nur 10 Tore geschossen. Kufstein taumelt, nicht erst in dieser Saison. Dabei war man 2022 im Grunddurchgang noch Spitzenreiter und im oberen Play-Off. Aber irgendwie ist der Spielwitz, der Erfolg abhandengekommen, ja fast schon verstorben. Gut, dass man zu Allerseelen den verstorbenen nur gedenkt und sie, wie zu Ostern, nicht auferstehen lässt…
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