Pressespiegel - 14.01.2025
Schmähbruder und Menschenfreund
Autor: Florian Madl, Medium: Tiroler Tageszeitung
Feuerwehrmann als Trainer, Schmähbruder, Experte, Menschenfreund. Didi Constantini verstarb gestern im 69. Lebensjahr und hinterlässt eine große Lücke.
Innsbruck – „Was ist eigentlich mit euch los, ihr Zauberer?“ Dietmar „Didi“ Constantini war immer er selbst – auch wenn er in die Kabine zu seinen Stars ging. Denn Demut war dem Innsbrucker wichtig, seit er in einem Pradler Innenhof mit dem Fußballspielen begann. „Bis zu seinem 14. Lebensjahr hatte er keine eigenen Schuhe“, erzählt Helmut Lutz, sein Freund aus Kindertagen. Und dennoch schaffte es der Wacker-Spieler durch und durch in die Kampfmannschaft. Weniger mit Genieblitzen als mit hartem Training, wie der gestern verstorbene Innsbrucker einmal erzählte: „Ich habe als Fußballer in Innsbruck den Weg in die erste Mannschaft gefunden, weil ich zusätzlich zum Training noch mit Bleiwesten den Bergisel hinaufgerannt bin“, schilderte er 2012 in einem TT-Interview.
Nur Schmähbruder, das wäre nicht gegangen. Vor allem nicht bei jemandem wie seinem sportlichen Ziehvater Ernst Happel: „Er hat seine Spieler immer geliebt, weil er hauptsächlich mit Weltklassespielern zusammen war. Und er hat in kurzen Worten oft erklärt, was andere erst in zehn Minuten erklären konnten.“ Als Co-Trainer des „Wödmastas“ lernte Constantini das Geschäft, nach dem Tod des Wieners trat sein Schüler kurzfristig in die Fußstapfen der Legende. In Erinnerung bleibt das 0:0 gegen Deutschland am 18. November 1992, Happels Kappe lag das ganze Spiel über auf der Trainerbank.
Doch während Happel meist drei oder vier Jahre bei einem Verein wirkte, erarbeitete sich Constantini den Ruf des „Feuerwehrmanns“ – er sprang ein, wenn Feuer am Dach war, und hatte dabei mit seiner hemdsärmeligen und jovialen Art praktisch auch immer Erfolg. Nur bei zwei von sieben Clubs (Admira Wacker und FC Tirol) war er zumindest eine ganze Saison im Amt.
Immer wieder kursierte der Name Constantini, wenn es um eine Teamchef-Bestellung in Österreich ging. Und immer wieder attestierte man dem Tiroler Fachwissen und exzellente Menschenführung, zog aber doch einen anderen vor. Bis zum Jahr nach der Heim-EURO, denn 2009 klappte es mit Verspätung: Constantini! Die WM-Qualifikation für 2010 verpasste er, in seine Ära fielen aber die Debüts von späteren Größen wie dem damals erst 17-jährigen David Alaba, Julian Baumgartlinger oder Aleksandar Dragovic. Auch eine Konstante: Mit etablierten Kickern wie Andreas Ivanschitz oder Martin Stranzl lag er oft über Kreuz.
Als es auch in der EM-Qualifikation für 2012 holprig lief, trat Constantini 2011 vorzeitig zurück. Und in einem TT-Interview kam darüber alles, nur keine Verbitterung zum Vorschein: „Es war mir eine Ehre, als ich Teamchef wurde. Es war mir eine, als ich das Team coachen durfte.“ Dass ihm Leute wie Alaba (siehe rechts) bis zuletzt ihre Dankbarkeit erwiesen, war stets Balsam auf seine Seele. Er sollte in der Folge keinen Job mehr annehmen, vielmehr widmete er sich den von ihm ins Leben gerufenen Kinder-Fußballcamps. Seine Einstiegsfrage dort: „Wer von euch will denn Profi werden?“ Und wenn sich einige meldeten, soll Constantini auf den Platz gezeigt haben: „Dann müsst’s jetzt was tun.“
Von der großen Zäsur in Didi Constantinis Leben erfuhr die Öffentlichkeit nach einem Geisterfahrerunfall am 4. Juni 2019: Der Tiroler fuhr auf der Brennerautobahn aus ungeklärter Ursache in die verkehrte Richtung und verursachte einen Unfall, drei Monate später ging seine Familie mit der im Anschluss gestellten Diagnose an die Öffentlichkeit: Der 64-Jährige war an Alzheimer erkrankt, seine Tochter Johanna (klinische Psychologin) hat sich diesem Schicksal in mittlerweile zwei Büchern gewidmet.
Didi Constantinis Schmähs werden seinen Freunden fehlen, die Erinnerung an den Menschenfreund von der Gumppstraße lebt weiter.
Steckbrief Dietmar „Didi“ Constantini
Geboren: am 30. Mai 1955 in Innsbruck. Familie: verheiratet mit Irmi, 2 Kinder (Johanna, Magdalena). Stationen als Spieler (198 Bundesliga-Spiele, 5 Tore, 1 Meistertitel, 1 Cupsieg): Wacker Innsbruck (Meister 1977 und Cupsieger 1978), LASK, Raika Innsbruck, Kavalla (Griechenland), Union Wels, FavAC, Wiener Sportklub. Nationalteam: 7 U18- und 6 Amateur-Länderspiele.
Stationen als Trainer bzw. Sportdirektor, 1987: Co-Trainer des Wiener Sportklubs; 1987–1989: Co-Trainer von Walter Skocik bei Ittihad Jeddah (Saudi-Arabien). Juni 1989–Mai 1991: Co-Trainer von Hans Krankl bei Rapid. Juni 1991–Sommer 1992: Betreuer des österreichischen Olympia-/U21-Teams, dazu Assistent von Teamchef Alfred Riedl. Oktober–November 1991: interimistischer ÖFB-Teamchef (1:2 in Nordirland, 0:2 gegen Jugoslawien). Jänner–November 1992: Co-Trainer von Teamchef Ernst Happel. November 1992: interimistischer ÖFB-Teamchef (0:0 in Deutschland). Frühjahr 1993: LASK. 1993/94, 1994/95: Admira. 1995–1997: Trainer FC Tirol. September 1997–April 1998: Trainer DFB-Zweitligist FSV Mainz. April 1999–November 2001: Assistent von ÖFB-Teamchef Otto Baric. 22. Dezember 2001–9. Mai 2002: Trainer Austria Wien. 26. September 2002–24. Juni 2003: Sportdirektor SV Salzburg. 27. Oktober–Dezember 2003: Trainer FC Kärnten, anschließend bis März 2004 Sportdirektor. 7. März–Juni 2006: Trainer Pasching. 25. Oktober–Mai 2007: Trainer Pasching. 19. März–Mai 2008: Trainer Austria Wien. 4. März 2009–13. September 2011: Teamchef Österreich (Bilanz: 23 Spiele: 7 Siege, 3 Remis, 13 Niederlagen, Torverhältnis 30:42).