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Pressespiegel - 18.05.2025

„Wäre gerne Teamchef geworden“

Autor: Alex Gruber, Medium: Tiroler Tageszeitung

Tirols Meistertrainer und -kicker Kurt Jara (74) loste als prominente Glücksfee die TFV-Cup-Halbfinals aus. Der ballverliebte Wahl-Spanier blickte mit der TT auf gute alte Zeiten und neue unaufhaltsame Trends.

Wie gut tut der Tiroler Boden unter den Füßen, wenn Sie eben nicht in Ihrer spanischen Wahlheimat nahe Valencia sind? 

Kurt Jara: Er tut in den warmen Monaten immer gut. Im Winter geht man ab einem bestimmten Alter halt gerne in die Sonne (schmunzelt). 

Was steht zuhause an? 

Jara: Kaffee trinken im „Leipziger Hof“ mit Freunden und golfen. Früher hatte man einen etwas größeren Ball am Fuß, jetzt einen kleineren mit Schläger in der Hand. Früher war das Schießen einfacher, heute nimmt man es nicht mehr so tragisch, wenn es einmal schiefgeht. 

Ihr Golf-Handicap? 

Jara: 15 und damit bin ich zufrieden. Ich organisiere mit unserem Verein „Gofus(s)“ mit Fußballern und Skifahrern gerade ein Charity-Turnier für 14. Juni in Igls. 

Wie viel Fußball konsumieren Sie noch? 

Jara: Viel, natürlich die Champions League und spanischen Fußball rund um die Klubs Valencia, Barcelona, Real und auch Atletico. 

Was sagt ein Linksfuß wie Sie zu Barças Wunderkind Yamal? 

Jara: Was soll man dazu sagen? Außergewöhnlich! Was er mit 17 schon gewonnen und geleistet hat, ist unglaublich. Man kann nur hoffen, dass er von Verletzungen verschont bleibt und genauso wie jetzt am Boden bleibt. 

Welche Trainerkollegen imponieren Ihnen? 

Jara: Guardiola hat ManCity über viele Jahre geprägt, Flicks Handschrift sieht man binnen kurzer Zeit bei Barcelona und die Karriere von Ancelotti (Real) mit seiner ruhigen Art imponiert mir sehr. 

Ein großes Erfolgskriterium liegt wohl darin, die Superstars zu handeln? 

Jara: Fußball spielen muss man ihnen nicht mehr lernen, aber das musste man ja früher auch nicht. Es wird schwieriger, die Gemeinschaft zusammenzuhalten, weil man nicht mehr 15, sondern 30 starke und gleichwertige Spieler im Kader hat. Die alle bei Laune zu halten, ist eine Kunst. 

Wie geht’s Ihnen mit 74 Lenzen, wenn die Superstars wie bei einer Modeschau herumlaufen? 

Jara: Das gehört einfach dazu und ist ab einem gewissen Wohlstand der Fall – wie bei Popstars. Die Kicker sind ja auch gewissermaßen Popstars, die nicht mehr auf die Straße gehen können. Da leidet das Privatleben darunter, da hatten wir es viel besser. Als mich ein Freund zu meiner Zeit als Hamburg-Trainer (2001–2003) gefragt hat, wie ich mit den Millionären umgehe, habe ich gesagt: Das sind auch Familienväter, die wissen, wie sie sich benehmen müssen. Und sie müssen topfit und bereit sein, wenn der Schiedsrichter anpfeift. 

Ihre Trainerkarriere ging schon 2006 in Salzburg zu Ende. Wann haben Sie Abstand gewonnen? 

Jara: Ich muss zugeben, dass ich zum Abschluss gerne Teamchef geworden wäre. Ich war oft im Gespräch, aber einmal zu früh, einmal zu spät. Die ersten zwei Jahre habe ich die vollen Stadien vermisst, dann habe ich gesagt: Diese Zeit ist vorbei und wir genießen ein anderes Leben ohne Stress. Wobei ich den Stress zu meiner aktiven Zeit als Spieler wie Trainer nicht missen möchte. 

Welche Erinnerungen flackern auch in der Pension immer wieder auf? 

Jara: Der erste Meistertitel in Innsbruck als Spieler (1971) und dann als Trainer (2000 und 2001), wo wir das Tivoli und die Maria-Theresien-Straße füllen konnten. Hamburg als Trainer war Fußball pur, da hat es 24 Stunden nichts anderes gegeben. Da habe ich auch noch mehr verinnerlicht, dass es in erster Linie ums Gewinnen geht, und zu meiner Frau nach dem Match und einem Sieg gesagt: „Jetzt haben wir eine gute Woche.“ Bei einer Niederlage musste ich ihr eine schlechte ankündigen, in der wir die ganze Woche nicht außer Haus gehen können. Ich lach mich tot, wenn sie in Österreich über die Journalisten schimpfen, denn im Vergleich zu Deutschland – da gibt’s kalt-warm – wird man bei uns ja fast gestreichelt. 

Welche Highlights aus der Spielerkarriere sind unvergesslich? 

Jara: Natürlich mein Treffer in Brasilien beim ÖFB-Teamdebüt (1971) vor 140.000 Zuschauern, bei der Seleçao traf damals ein gewisser Pelé. Da war noch Schwarzweiß-Fernsehen. Und dann natürlich mein Wechsel nach Spanien (1973 nach Valencia) als 22-jähriger Jungvater mit einem Sohn von zehn Monaten. Man hat die Sprache nicht gekonnt, es gab kein Internet und wir hatten zwei Jahre kein Telefon. Es gab einen Schwarzweiß-Fernseher mit zwei spanischen Programmen. Das sind Sachen, die heute unvorstellbar sind. Heute ist die Eingliederung für einen Spieler viel einfacher, aber das Privatleben halt gleich null. Wir sind noch in eine Disco gegangen, heute müssten die Stars vorher die Handys einsammeln. 

Was sagen Sie zum hohen Tempo im Weltfußball? 

Jara: Ich war auch kein langsamer Spieler, aber wenn ich beispielsweise sehe, wie die Spieler beim spanischen Pokalfinale Barça gegen Real in der 120. Minute noch 60 Meter sprinten, dann finde ich das unvorstellbar. Sie trainieren anders als wir, wir haben ja falsch trainiert: 400-Meter-Läufe mit Medizinball. 

Stichwort-Laptop-Trainer? 

Jara: Das hat sich alles entwickelt und geht nicht mehr anders. Aber ein paar machen mir jetzt schon fast zu viel mit den ganzen Daten. Die Digitalisierung macht Fehler sichtbar, aber ein bisschen Leben und Herz gehört auch dazu. Variabilität in der taktischen Ausrichtung gab es ja schon in meiner Zeit. Und ich freue mich, Trainer zu beobachten, die nicht nur positionsgetreu tauschen, sondern umstellen und neu improvisieren. Ein Pfostenschuss bleibt aber immer ein Pfostenschuss, da entscheiden wenige Zentimeter. 

Tirols Fußball-Landschaft ist gegenwärtig sehr karg. 

Jara: Das trifft aus meiner Sicht leider auf ganz Westösterreich, also auch auf Vorarlberg, zu. Unser Crash (FC-Tirol-Konkurs von 2002) hängt uns nach zwei Jahrzehnten immer noch nach. Keiner will mehr etwas tun. Der FC Wacker beweist mit dem Publikumszustrom, dass er noch eine Ausstrahlungskraft hat. Einen Zusammenschluss mit Wattens wird es nie geben. Was ich mich rund um die WSG frage, ist halt: Warum schießt bei BW Linz ein Stadion aus dem Boden, in Tirol geht das nicht? 

Wie beurteilen Sie die österreichische Bundesliga? 

Jara: Wir haben hinter zwei Wiener, zwei Grazer und zwei Linzer Klubs schon fast eine Dorfliga – wenn ich z. B. bei der Fernsehübertragung bei einem WAC-Spiel dahinter im Bild Kühe entdecke. Als ich jung war, hat es in Kundl oder Kirchbichl so ausgeschaut. 

Der FC Wacker ist über LA FC und die Mitarbeit der Bayern fremdfinanziert. Wie sehen Sie das? 

Jara: Man muss damit rechnen, dass das heute oft nicht mehr anders geht. Ich wäre heute froh, wenn wir in Innsbruck einen Scheich hätten, der uns jedes Jahr 50 Millionen gibt. Dann wären wir auch in Österreich absolut spitze. Und was ich noch anmerken möchte: Ich habe den Abschied der Hypo-Volleyballer mitverfolgt und finde so etwas extrem schade, weil der Sport im so genannten Sportland Tirol leidet. Denn: In Sachen Kultur(-Stadt) werden wir nie an Salzburg oder Wien vorbeikommen. 

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