
Autor: Florian Madl, Tobias Waidhofer, Medium: Tiroler Tageszeitung
Das 100-Jahr-Jubiläum des Tiroler Fußballverbands steht ganz im Zeichen der Corona-Krise. Präsident Josef Geisler erklärt, mit welchen Maßnahmen sich das Präsidium dagegenstemmen möchte.
Die Corona-Maßnahmen hängen wir ein Damoklesschwert über dem Fußball-Unterhaus. Die Kardinalfrage: Was passiert, wenn die Meisteschaft nicht fertiggespielt werden kann?
Josef Geisler: Jeder Landesverband kann für sich beurteilen, was er mit einer nicht fertiggespielten Meisterschaft macht. Einzige Voraussetzung für eine Wertung: Zumindest die Hinrunde, also jeder gegen jeden, muss zu Ende gebracht werden. Dabei spielt es keine Rolle, ob das im Herbst oder erst im Frühjahr passiert.
Es ist also wie bei einem alpinen Slalom oder beim Skispringen: Der erste Durchgang wird gewertet.
Geisler: Österreichweit sind wir fast einheitlich, nur die Kärntner sagen: Bei uns reichen 90 Prozent vom Herbst - dann werten sie es auch.
Es kann auch passieren, dass die Rückrunde läuft, aber nicht fertiggespielt werden kann.
Geisler: Wir sagen: Wenn alle Mannschaften 80 Prozent aller Spiele absolviert haben, dann zählt der Tabellenstand ganz normal. Bei einem 14er-Format wären das zumindest 20 Spiele.
Demnach kommt es mit Vollendung der Hinrunde zu Auf- und Absteigern?
Geisler: Ich würde für Auf- und Absteiger plädieren. Die Gefahr bestünde sonst nämlich, dass plötzlich in höheren Ligen viel mehr Mannschaften spielen als weiter unten, außerdem wäre die Spannung am unteren Tabellenende auch heraußen. Aber noch handelt es sich dabei nur um den Vorschlag der Präsidiale, also von mir und den drei Vizepräsidenten des Verbands. Wichtig: Es braucht die Absegnung des Präsidiums, bis kommenden Dienstag haben die Leute Zeit, sich zu melden.
Dürfen Vereine künftig ab einer gewissen Anzahl von Covid-Fällen selbstständig ein Spiel absagen?
Geisler: In Niederösterreich sagt man, dass das ab fünf Corona-Fällen im Kader zulässig ist. Aber wie definiere ich Kaderspieler? Ich kann dem nichts abgewinnen. Es kann nicht sein, dass ein Verein selbstständig Spiele absagt. Jeder, der das will, muss sich an die Geschäftsstelle wenden und die entscheidet im Austausch mit mir. Das passiert anhand des Einzelfalls und nach Rücksprache mit Behörden.
Eine Gratwanderung, oder?
Geisler: Mein Motto ist: Lieber einmal öfter absagen. Die Gesundheit ist ein hohes Gut und auch Haftungsfragen sind damit verbunden. Wichtig ist der Nachweis durch einen Test, der umgehend zu erbringen ist. Wenn nicht, dann wird das an den Strafsenat weitergeleitet, das könnte eine 0:3-Strafverifizierung bedeuten.
Kann das nicht trotzdem zu missbräuchlicher Umsetzung der Vereine führen, wenn sich dort Verletzungen häufen?
Geisler: Ich unterstelle meinen Vereinen nicht, dass Ausreden konstruiert werden, die Solidarität steht auf dem Prüfstand. Wir sind österreichweit mit 5 bis 10 Prozent abgesagter oder verschobener Spiele im Schnitt.
Wann und wo werden abgesagte Spiele angesetzt?
Geisler: Im besten Fall im Einvernehmen der Vereine, zeitnah und nur über die Geschäftsstelle, das hat bisher bei uns sehr gut funktioniert. Der 26. Oktober ist der offizielle Ersatztermin. Wenn sich die Hinrunde bis zum Ende des Herbstes nicht ausgeht, müssen wir darüber hinaus versuchen weiterzuspielen, solange es die Witterung zulässt. Die Hälfte der Vereine hat einen Kunstrasen. Sonst sucht man sich einen oder bekommt vom Verband einen zugeteilt.
Das klingt nach viel Aufwand am Wochenende für Ehrenamtliche wie Sie.
Geisler: Eindeutig, aber die Leute müssen sich auf meine Einschätzung verlassen. Ich bin als Jurist im Vorteil, habe ein gutes Netz zu Gesundheitsbehörden und Bezirkshauptmannschaft.
Können Sie sich aufgrund des Stundenaufwands eine Rolle als geschäftsführender Präsident vorstellen?
Geisler: Das war für mich nie ein Thema, kommt für mich auch nicht in Frage. Den Zeitaufwand kann nur einer bewältigen, der so wie ich in Pension ist. Man muss sich zwar manchmal schimpfen lassen, eine Entscheidung kann richtig oder falsch sein. Aber im Nachhinein ist man immer gescheiter.
Manche Unterhaus-Vereine locken ihre Spieler mit Geld. Ginge es denn nicht mehr ohne?
Geisler: Das sind Ferndiagnosen - und es ist nicht meine Aufgabe, das Budget zu hinterfragen. Aber hypothetisch: Wenn der Fußball die Gesellschaft wirklich mit Werten wie Fairness und Anstand bereichert, dann dürfte das nicht so essenziell sein.
Der gesellschaftliche Wandel macht es für viele Sportverbände schwer, die Mitgliederzahl zu halten. Wie ist das im Tiroler Fußball (37.500 Mitglieder, 151 Vereine, Anm.)?
Geisler: Ein Thema ist auch die Landflucht, deshalb unterstütze ich Projekte wie jenes beim FC Stubai (Zusammenlegung von Vereinen, Anm.), wo ich mich auch als Geburtshelfer sehe. Das ist meiner Meinung nach eine Möglichkeit, wie man in geografisch benachteiligten Regionen schauen kann, dass Fußball auch weiter funktioniert. Mir geht es nicht um die gleiche Anzahl von Vereinen, sondern darum, dass die Vereine zukunftsfit sind.
Wünschen Sie sich als Zillertaler einen FC Zillertal?
Geisler: Vor 20 Jahren hielt ich das für die einzige Möglichkeit, einen konkurrenzfähigen Verein auf die Beine zu stellen. Leider Gottes herrscht im Zillertal aber immer noch Kirchturmdenken vor.
Ein Stichwort: Wie sehen Sie die Rolle Tirols in der Fußball-Bundesliga?
Geisler: Ich bin nach wie vor der Meinung, dass ein Verein mit starken Tiroler Wurzeln ganz oben spielen muss, einer darunter. Ob das nun der FC Wacker oder die WSG ist, spielt dabei keine Rolle.