
Autor: Wolfgang Müller, Medium: Tiroler Tageszeitung
Kurt Jara feiert morgen seinen 70. Geburtstag und blickt im TT-Gespräch auf die emotionalsten Momente seiner Fußball-Karriere zurück - die Meisterfeiern vor Zigtausenden Fans in der Maria-Theresien-Straße.
Innsbruck - "Leben", antwortet Kurt Jara spontan und treffend auf die Frage, was er so in seiner Fußballpension macht. Dabei meint er "gut leben", setzt sein schelmisches Schmunzeln auf und man weiß sofort, dass das ernst gemeint ist. Schließlich wurden ihm vor vier Wochen sechs Stents eingesetzt. "Es geht mir jetzt besser als vorher", hakt er dieses Thema schnell ab und verweist darauf, dass er schon wieder problemlos seine Golfrunden drehen kann. Kleine Partys mit dem engsten Freundes- und Familienkreis hat er schon hinter sich. Morgen feiert Jara seinen 70er bei Sohn Martin und den beiden Enkeltöchtern in der Schweiz, dann verabschiedet er sich mit Gattin Jolanda wieder für längere Zeit in sein Haus im Oliva-Nova-Resort rund 80 Kilometer von Valencia entfernt: "Skifahren hab ich aufgehört. Im Alter mag ich es halt lieber wärmer."
Symptomatisch, dass das Geburtstagsinterview im Café Design stattfindet. Nicht weit entfernt war das alte Tivoli und in Sichtweite ist das neue Stadion. Damit ist der Jubilar auch schon bei den emotionalsten Stationen seiner Karriere. "Ich habe als Spieler und Trainer Meistertitel in meiner Heimatstadt gefeiert. Da waren Zigtausende begeisterte Fans in der Maria-Theresien-Straße. Wenn ich daran zurückdenke, zieht es mir heute noch eine Ganslhaut auf." 1971 feierte der damals 20-Jährige aus Pradl mit dem FC Wacker den ersten Meistertitel der Vereinsgeschichte, im Jahr 2000 fixierte der FC Tirol mit Chefcoach Jara sein Meisterstück.
Höchst emotional verlief auch der Start seiner Karriere im Nationalteam. Denn sein Debüt feierte der damals erst 20-jährige Flügelflitzer aus Tirol am 11. Juli 1971 vor 100.000 Zuschauern in Sao Paulo. Beim Abschiedsspiel des großen Pele, der die Brasilianer auch standesgemäß in Führung schoss, gelang Jara mit einem sehenswerten Tor der 1:1-Ausgleich. Das war der Startschuss für 58 weitere Einsätze und zwei WM-Teilnahmen (1978 und 1982) mit dem Adler auf der Brust.
Wo viel Licht, dort gibt es natürlich auch Schatten. "Offene Rechnungen" hat er keine mehr zu begleichen, der Jubilar ist mit sich und einigen Enttäuschungen im Reinen. "Was mich zum Abschluss gereizt hätte, hat sich halt nicht ergeben", gibt er zu, dass er mit einem Posten doch sehr stark spekuliert hatte: "Teamchef wär ich schon gern geworden." Dass ausgerechnet Marcel Koller, sein langjähriger Zimmerkollege bei den Grasshoppers, den Vorzug erhielt, ist längst verarbeitet. "Das ist Fußball. Wie ich zum HSV kam, war Marcel auch Kandidat in Hamburg."
Im Nachhinein ein Fehler? "Ich hätte mit Manni Linzmaier nach dem HSV und Kaiserslautern noch die eine oder andere Station in Deutschland anhängen und nicht so früh nach Österreich zurückkehren sollen." Die perfekte Überleitung zur leidigen Geschichte mit Red Bull. Jara war der erste Salzburger Coach beim Einstieg von Didi Mateschitz in den österreichischen Fußball. Das Engagement endete im Mai 2006 nach 38 Spielen. Es folgten jahrelange Rechtsstreitigkeiten mit dem Getränkekonzern. "Ich war mir keiner Schuld bewusst und wollte mir das nicht gefallen lassen. Diese Zeit hat mich und auch meine Familie viel Kraft gekostet."
Nach drei Jahren stimmte der Tiroler einem Vergleich zu. "Ich hatte mein Recht, aber meine Trainerkarriere war beendet. Schnee von gestern." Was zählt, ist die Gegenwart - und die will der rüstige Jubilar in vollen Zügen genießen. Alles Gute zum Runden und das Wichtigste nicht nur in Zeiten wie diesen: "Gsund bleiben!"