
Autor: Florian Madl, Medium: Tiroler Tageszeitung
Philipp Trattner, Sektionschef im Sportministerium, lotet mit seinem Team die Möglichkeit von Öffnungen im Spitzen- und Breitensport aus. Eine Gratwanderung auf Basis der schwankenden Infektionszahlen.
Wie bewerten Sie die Chance auf Sportbetrieb in Österreichs Vereinen abseits der Spitze?
Philipp Trattner: Was Nachwuchs-Leistungssport im Individualbereich anbelangt, sind wir schon sehr weit, auch in den unteren Jahrgängen. Im Kunstturnen, in Rhythmischer Gymnastik oder im Eiskunstlauf liegt das Leistungsalter ja sehr niedrig.
Wie sieht die weitere Marschrichtung im Hinblick auf eine Öffnung im Sport aus?
Trattner: Im Moment liegt der Fokus abseits der Spitze darauf, die Möglichkeiten fürs Training auszuloten. Von drei Millionen Vereinssportlern in Österreich ist knapp eine Million im Mannschaftssport aktiv, dabei müssen wir vor allem den Nachwuchs im Auge behalten. Sonst laufen wir Gefahr, in manchen Jahrgängen Talente zu verlieren.
Worauf gilt es nun Wert zu legen?
Trattner: Im Fußball haben wir beispielsweise 27 Landes-Ausbildungszentren, dazu Akademien und die Bundesliga-Clubs. Es geht darum, dort eine Vermischung zu verhindern, wo es keine strengen Hygiene- und Präventions-Konzepte gibt. Die Sportler müssen Fieber messen, werden getestet, müssen ein Gesundheits-Tagebuch führen, Bubbles bilden und schränken ihre privaten Kontakte ein. Das sind andere Voraussetzungen.
Im Sport soll das Infektionsrisiko ohnehin nicht groß sein - was erklärt die Zurückhaltung der Regierung?
Trattner: Im Sport waren es Fahrgemeinschaften wie beim Eishockey, als Teams stundenlang im Bus zusammensaßen. Oder bei Bundesliga-Fußballclubs, die im Verletzungsfall Spieler aus ihren zweiten Teams raufschieben mussten.
Wie lautet die Prioritätensetzung des Sportministeriums?
Trattner: Outdoor vor indoor, Individual- vor Teamsport, Spitze vor Breite. Es ist aber auch im Hobbysport schon viel möglich, wenn man an Skifahren, Langlaufen oder Rodeln denkt.
Wie ist die Zusammenarbeit mit Ländern, die schärfere Regeln haben?
Trattner: Einer wie Alexis Pinturault (franz. Ski-Ass, Anm.) trainiert auf der Reiteralm, die nationalen Verbände unterstützen ihre Nachbarn. Etwa beim Eiskunstlauf, wo Liechtenstein und die Schweiz nicht trainieren dürfen. Bei uns trainieren auch viele bayerische Vereine, obwohl Ministerpräsident Söder kritisiert, dass unsere Skigebiete offen sind.
Es gibt also keine nationalen Befindlichkeiten?
Trattner: Das Zusammengehörigkeitsgefühl ist groß, es gibt null Politik im Sport. Das ist für mich die schöne Seite der Situation. Und auch die Sportarten sind zusammengewachsen, die kooperieren auf Basis guter Konzepte.
Woran knabbern die Vereine, wenn man die finanziellen Einbußen ausklammert, die ohnedies nach Möglichkeit vom Ministerium ersetzt werden?
Trattner: Eines der Probleme: Die Vereine sind nicht in der Lage, neue Kinder für den Sport zu begeistern.
Wie würden Sie die Kooperation der Sportverbände bewerten?
Trattner: Sehr gut! Man muss sich nur vorstellen, wie viele Veranstaltungen im Lockdown stattfinden konnten. Das fing bei der Formel 1 in Spielberg an, zog sich über den Alpin-Auftakt in Sölden, über Rodeln, Bob, Damen-Skispringen, Biathlon in Hochfilzen, ein Schwimmmeeting in Graz. Und alle Beteiligten wiesen eine hohe Test-Disziplin auf: Testen ist für Sportler fast schon wie Kaffeetrinken.
Zurück zum Breitensport: Wie erklären Sie einem Tennisspieler, dass er nicht auf den Platz darf, während man sich vor Skiliften zusammendrängt?
Trattner: Ich kann den Unmut nachvollziehen, aber es geht nicht immer nur um den Sport. Es geht um die An- und Abreise, um die Logistik. Und nicht vergessen: Anderswo steht der Sport komplett still, aber es geht auch um klare, verständliche Regeln. Die Outdoor-Sportstätten sind unter strengen Sicherheitskonzepten geöffnet, bei Indoor heißt es noch ein wenig warten - das war im Frühsommer nicht anders.
Was unterscheidet den Sport von anderen Ressorts?
Trattner: Der Sport ist gewohnt, dass er kämpft: um Anerkennung, Geld und Athleten, die er rausbringen will - ein großer Unterschied zu manch anderer Gesellschaftsschicht. Sportler funktionieren nach Disziplin unter Einhaltung von Regeln. Sie sind froh, dass sie in dem Maß trainieren können. Wenn ein Sportler keine Regeln einhält oder keine Disziplin an den Tag legt, wird er nicht erfolgreich sein. Der Sport hat sich weitere Öffnungsschritte verdient, weil er sich an die Regeln gehalten hat.
Sie hatten kürzlich ein Gespräch mit Tirols Fußballverbandspräsident Josef Geisler. Der Amateurfußball ruht weiter.
Trattner: Wir sind uns dessen bewusst, dass es viele Fragen gibt: Wie ist der Modus mit Auf- und Abstieg? Wir können das nicht wie im vergangenen Jahr ausklammern, da gab es schon Schwelbrände. Die Wiener Stadtliga startet laut Plan ursprünglich am 5. Februar, aber da brauche ich eine Vorlaufzeit mit Kontakttraining. Hallenmeisterschaften machen heuer keinen Sinn, aber die richtige Entscheidung ist eben nicht immer die populäre. Aber: Auch im Breitensport können sich beim nächsten Öffnungsschritt Möglichkeiten ergeben.