
Autor: Florian Madl, Tobias Waidhofer, Medium: Tiroler Tageszeitung
Die WSG Tirol erfand sich heuer neu und darf trotz kleinstem Liga-Budget mit der Meistergruppe spekulieren. Ein Unterschied zum FC Wacker, einem Krösus in Liga zwei: Noch läuft es mit den Routiniers nicht rund.
Innsbruck, Wattens - Noch sind in erster bzw. zweiter Fußball-Bundesliga elf bzw. zwölf Runden zu spielen. Und noch ist nicht gesichert, dass die WSG Tirol die Liga hält bzw. der FC Wacker den ersehnten Aufstieg schafft. Zwei Ligen, zwei Welten - denn die Ausgangssituation der beiden Tiroler Bundesliga-Vertreter hat sich mit dem Einstieg des Wacker-Investors grundlegend gewandelt. Was darf der geneigte Fan von den zwei Teams erwarten?
1 Tabellensituation: Die sechstplatzierte WSG steht am Sonntag vor dem "Endspiel" um die Meistergruppe (Rapid). Und der siebtplatzierte FC Wacker muss einmal mehr darum kämpfen, noch im Aufstiegskampf zu bleiben. Der größte Bonus für die Innsbrucker: Die Top 3 der zweiten Liga wollen bzw. können nicht rauf, Klagenfurt und der GAK straucheln ebenfalls.
2 Kontinuität: Die WSG stützt sich seit 2013 auf die Schlitzohrigkeit von Thomas Silberberger. Keiner kennt neben seinem kongenialen Manager Stefan Köck den Verein in allen Facetten besser. Der FC Wacker indes beschäftigte im selben Zeitraum neun (Interims-)Trainer (Kirchler, Streiter, Klausner, Schmidt, Schrott, Jacobacci, Daxbacher, Grumser, Bierofka).
3 Transferaktivitäten: 12 neue Spieler hier (WSG), 15 dort. Der Unterschied liegt im Alter (siehe Punkt 4) und im Gehaltsgefüge. Denn während WSG-Toptransfer Nikolai Baden Frederiksen (20) als junger Leihspieler Erfahrung sammelt, sicherte sich der FC Wacker einen WM-Teilnehmer (Anel Hadzic) und einen Zweitliga-Torjäger (Ronivaldo). Der Trend ging gegengleich: Jugend in Wattens, Routine in der Landeshauptstadt.
4 Altersschnitt: Die WSG reduzierte den ihren nach dem Beinahe-Abstieg im Vorjahr. "Es brauchte einen Radikalumbau", meint dazu Trainer Thomas Silberberger. Zuletzt lag der Schnitt der Startelf bei 24,6 Jahren, der des FC Wacker bei 26,2 (gemessen an den letzten fünf Spielen). Auffallend: In der gesamten Vorsaison lag der Altersschnitt der Schwarzgrünen bei 21 Jahren.
5 Spielanlage: Die WSG Tirol erfand sich nach dem zwölften Platz der Vorsaison und einem intensiven Sommer - Klassenerhalt nach Mattersburg-Crash - binnen kürzester Zeit neu. Setzte man im Vorjahr noch auf Routine, Physis und hohe Bälle, definiert sich die WSG 2020/21 über Tempo und schnörkelloses wie attraktives Kurzpassspiel, ausgehend von der passstarken Zentrale (Behounek, Gugganig, Celic, Petsos). Das hat in der Liga Eindruck gemacht, selbst von Salzburg-Coach Jesse Marsch gab es nach dem jüngsten Duell einen verbalen Ritterschlag. Davon ist der FC Wacker aktuell weit entfernt. So richtig lässt sich nicht erkennen, was die Schwarzgrünen am Spielfeld eigentlich wollen. Ballbesitzfußball? Schnelle Gegenangriffe? Offensive Gefahr ergibt sich in der Innsbrucker Mannschaft in erster Linie durch die individuelle Qualität vieler Akteure (Atsushi Zaizen, Neuzugang Lukas Fridrikas).
6 Budget: Die WSG sucht nach dem Swarovski-Ausstieg einen Hauptsponsor, das Kampfmannschaftsbudget liegt bei 2,8 Mio. Euro. Eine Konstante wie Kelvin Yeboah (Sturm Graz) war so gesehen nicht zu halten. Anders die Situation beim FC Wacker, der 2019/20 noch 850.000 Euro für die Kampfmannschaft zur Verfügung hatte. Heuer darf man dank Geldgeber vom vierfachen Betrag ausgehen (Gesamtbudget 6,4 Mio.).
7 Zukunft: "Wir werden keine alten Stars holen, sondern weiter Toptalente ausbilden. Das ist unser Weg und unser Geschäftsmodell", meinte Sportvorstand Alfred Hörtnagl bei der Präsentation des neuen Geldgebers. Spätestens im Winter schien diese Strategie eine Korrektur erfahren zu haben, mit Leuten wie WM-Teilnehmer Anel Hadzic (31) und Okan Aydin (26) wurde noch einmal nachjustiert. Und Talente wie Florian Kopp (19) oder Clemens Hubmann (20) haben einen schweren Stand.
Die WSG Tirol hingegen definiert sich als "Ausbildungsverein", wenngleich Trainer Thomas Silberberger weiß: "Nur mit Jungen allein funktioniert es nicht. Die Mischung macht es." Bisher war man damit erfolgreich.