Dr. Roman Horak im Interview
OR: Die ultraorientierten Fangruppen in Österreich bewegen sich zwischen Selbstinszenierung und Unterstützung des eigenen Vereins. Was überwiegt?
Horak: (lacht) Das ist auch eine gute Frage. Ich glaube es ist eine sehr interessante, komische, komplexe Wechselwirkung. Es geht sowohl um Selbstinszenierung, aber auch um die Definition dessen, was den eigenen Verein ausmacht. „Wir sind Rapid“, heißt es bei uns oft. Da ist schon eine gewisse Hybris dabei, zu behaupten dass die Ultras gleichermaßen der Verein wären. Das stimmt ja nur zum Teil, obwohl die Ultras wichtig sind, das ist ja unbestritten. Im Endeffekt wogt das Pendel zwischen Selbstüberschätzung und durchaus wünschenswerten Unterstützung des Vereins hin und her.
OR: Was macht die Stärke einer Fangruppe aus?
Horak: Ein gemeinsamer Zweck, ein gemeinsamer Inhalt und Anlässe, wo man diesen Zweck sichtbar machen kann. Es gibt Aufgaben, von Choreografien planen usw. Das ist viel Arbeit das vorzubereiten. Gemeinsame Ideen, die man gemeinsam umsetzt, das macht den Zusammenhalt aus.
OR: Fußball stiftete schon immer Identität und schürte Rivalität. Womit identifizieren sich die ultraorientierten Fangruppierungen. Wer sind die Rivalen?
Horak: Rivalitäten gibt es entlang von zwei Linien. Einerseits gegen Austria Wien als Stadtrivale, andererseits gegen die Nicht-Wienerklubs. Allen voran der Kunstklub Salzburg, der seit kurzem ohne Geschichte existiert. Mit neuen Farben, die ja eigentlich Dosenfarben sind. Austria Wien ist der sportliche Rivale, Salzburg eher die Verkörperung des Bösen, des Nichtfußballs.
OR: Auch die Exekutive ist zum Rivalen mutiert. Wieso?
Horak: Präsente, provokante Ordnungshüter gelten als Störfaktoren. Es sind so was wie Gegner, mit denen man sich auseinander setzen muss. Sie hindern eine Gruppe ja daran, die Fankultur ungestört auszuleben.
OR: Welcher Stellenwert hat der Vereinsfußball beim Fan?
Horak: Der eigene Verein ist wichtig. Man verehrt ihn. In manchen Fällen misst man ihn schon zuviel an Bedeutung bei. Das geht bei einigen ja schon in leichten Wahnsinn überkippt. Das sind Sachen, die psychodynamisch für den Alltag der Menschen zu viel an Bedeutung gewinnen. Hier sollte ein Punkt kommen, wo man sagt: „Moment, es gibt auch noch ein Leben außerhalb des Fußballs.“
OR: Die Innsbrucker Tivoli Nord ist bekannt als laute, bunte und antirassistische Kurve. Ist das auch Ihr Eindruck?
Horak: So hab ich das immer wahrgenommen. Bis vor kurzem habe ich sie nur als Beobachter gekannt, als sie in Wien waren. Das sind sehr erfreuliche Fans. Dass sie mit dem „Che Guevara“- und dem „Haschischblattl“-Transparent unterwegs sind, hat mir eine echte Freude gemacht. Das war ein sehr erfreulicher Anblick. Man sieht, dass das eine sehr lebendige, kritische und offenbar sichtbar antirassistische Fankultur ist, die sich so verkauft und sich bewusst so inszeniert. Ich habe auch die beiden Fanklubräumlichkeiten von den Verrückten Köpfen und Nordpol Innsbruck besucht und habe mir gedacht: Alle Achtung. Das hat mich sehr beeindruck. Es war recht gemütlich dort. Es hat mir gut gefallen.
OR: Die ursprüngliche englische Fankultur wurde verdrängt. Überlebt die aktive österreichische Szene die momentane herrschende Repressionswelle?
Horak: Wollen wir es hoffen. Ich hoffe, sie lebt weiter. Ich glaube die Gruppen sind stark genug, verfügen über genügend Junge, die nachrücken und die Szene ist deshalb nicht so leicht umzubringen, trotz Repressionsmaßnahmen. Sie werden genug Kraft und Ausdauer haben, um das zu überstehen. Sowohl Vereinsverantwortliche als auch die Fernsehmacher haben doch die Choreografien und bengalischen Feuer sehr gerne. Wenn man das in Zukunft zu verhindern versucht, könnte der Schuss nach hinten losgehen. Ein Stadion ohne Fans ist ja nix.
OR: Kann Österreich in einigen Jahren an die Erfolge der 20er und 30er des vorigen Jahrhunderts anschließen?
Horak: Da bin ich skeptisch. Diese Zeiten sind vorbei. Fußball ist in den letzten 15 Jahren ein internationaler Marketingsport geworden. Aber ich lass mich gerne überraschen…